„Der Diamant des Rajahs“ – Einleitung

„Der Diamant des Rajahs“, bestehend aus vier Episoden, wurde zusammen mit „Der Selbstmörderclub“ (drei Kapitel) 1882 als Band 1 der „New Arabian Nights“ herausgegeben.

Was der schottische Autor Robert Louis Stevenson (1850-1894) daran für arabisch hielt, ist mir schleierhaft: es geht um Engländer, Schotten und einen Böhmen. Zwar leitet ein arabischer „Autor“ von einem Kapitel zum nächsten, das war es dann aber auch schon mit dem orientalischen Flair.

Ich habe schon einiges über die Prinz-Florizel-Erlebnisse in „Der Selbstmörderclub“ berichtet, Ihr könnt es auf Meine Leselampe nachlesen ->

Robert Louis Stevenson – oder besser gesagt – der arabische Autor lässt Prinz Florizel in „Der Diamant des Rajahs“ erneut als erfolgreichen Retter der Bedrängten an den Start.

„Der Diamant des Rajahs“ – zum Inhalt

„Die Geschichte mit der Hutschachtel“

Der junge Mr. Harry Hartley, weniger der Arbeit als der Schönheit und Eleganz zugetan, hat eine Anstellung beim Generalmajor Sir Thomas Vandeleur gefunden, einem jähzornigen und gewaltbereiten Mann.

Während seiner Militärlaufbahn konnte Vandeleur sich beim Rajah von Kashgar durch Mord- und andere Gewalttaten beliebt machen. Mit einem wertvollen Diamanten beschenkt, wurde er aus dessen Diensten entlassen.

Zurück in England gewann der reich gewordene Vandeleur mühelos die Hand einer schönen jungen Frau, die nach der Heirat umgehend damit begann, sein Vermögen für Kleider und Juwelen zu verschwenden.

In diesen Haushalt gerät der feingeistige Harry Hartley. Als Privatsekretär ohne rechten Arbeitseifer erzürnt er schon bald seinen Vorgesetzten, wird an die Ehefrau abgetreten und dient ihr als eine Art männliche Zofe.

"Der Selbstmörderclub"

Als die Schulden Lady Vandeleurs sich auf 90 000 Pfund belaufen, macht Sir Thomas ihr eine Szene. Er wird misstrauisch, als seine Frau Harry während des Streites fortschickt, um eine Hutschachtel zu überbringen.

(Bild rechts: Ulrike Mai/Pixabay)

Vandeleur verfolgt Harry, der vor dem Rasenden die Flucht ergreift. Unerwartete Unterstützung für Harry kommt von dem Bruder seiner Herrin, Charlie Pendragon, der Vandeleur in einem Park stellt und sich mit ihm prügelt.

Als Harry die Adresse erreicht, wo er die Hutschachtel abgeben soll, ist der Empfänger nicht zu Hause, dafür Vandeleur ihm wieder dicht auf den Fersen. Das ebenso hübsche wie gewitzte Dienstmädchen Prudence hilft Harry, dem Alten zu entkommen. Auch Charlie ist jetzt hinter Harry her, in seiner Not wirft der junge Mann die Hutschachtel über eine Gartenmauer und klettert hintendrein.

Die Hutschachtel hat sich beim Aufprall geöffnet, Diamanten und Schmuck liegen verstreut in den Rosenbeeten. Der Gärtner und Hausbesitzer Mr. Raeburn kommt hinzu und wittert seine Chance. Er bedroht den vermeintlichen Dieb, um die Hälfte der Ware zu erpressen. Als er den vom Mauersturz ramponierten Harry ins Haus zerrt, treffen die beiden auf Mr. Rolles, einen jungen Geistlichen, der hier zur Miete wohnt und Harry Hartley unglücklicherweise zu kennen scheint.

Nachdem Mr. Raeburn mehr als die Hälfte des Schmuckes an sich gebracht hat, lässt er Harry gehen, der auf der Straße ein zweites Mal überfallen wird und nochmals einen Teil des Schmuckes einbüßt.

Nur noch wenige Preziosen sind Harry geblieben, als er zurück zu den Vandeleurs kommt. Er trifft die Eheleute und den Bruder Lady Vandeleurs an und schnell wird klar, dass er in ein Komplott verstrickt wurde. Lady Vandeleur hatte ihn nicht nur ihren eigenen Schmuck sondern auch den Diamanten des Rajahs aus dem Hause schaffen lassen, mit dem Wissen und Beistand ihres ebenso verschuldeten Bruders.

Sir Thomas Vandeleur macht kurzen Prozess, erklärt die Beziehung zu seiner Frau für beendet und zerrt Harry zur nächsten Polizeistation…. Was wird Harry nun widerfahren?

Nicht nur Harry, noch mehr junge Männer unterliegen dem Einfluss des Diamanten des Rajahs. In

„Die Geschichte des jungen Geistlichen“

… ist es Mr. Simon Rolles, Reverend und sehr bewandert in geistlichen Studien, doch leider ohne eigene Pfarre oder feste Anstellung als Prediger. Nachdem er seinen Vermieter und Harry im Garten angetroffen hat, macht er sich so seine Gedanken über die Verletzungen und die zerrissene Kleidung Harrys. Und da er Harry ja kennt (woher, erfahren wir nicht), wundert er sich sehr über dessen falschen Namen und Rolle als Freund Mr. Raeburns.

Mr. Rolles ergeht sich nach der Begegnung noch ein Weilchen im Garten und entdeckt an der Mauer zerdrückte Rosen. Aus der ringsum zertrampelten Erde lugt etwas heraus.

Der Diamant des Rajahs

Es ist ein Lederetui, als Rolles es öffnet, erblickt er den Diamanten des Rajahs und wittert Chancen, wie er seine bisher glücklose Laufbahn als Gelehrter künftig finanzieren könnte.

Doch wie den Diamanten unauffällig zu Geld machen? Als die Polizei das Haus Raeburns durchsucht, gibt ein Polizist Rolles den entscheidenden Hinweis: solch große Diamanten werden von Gaunern in kleine Stücke zerteilt, um diese ungefährdet verkaufen zu können.

Mr. Rolles ist zwar einen Schritt weiter auf seinem Weg in eine sorgenfreie Zukunft, doch das nächste Hindernis steht vor ihm: wie zerkleinert man einen Diamanten?

Auf seiner Suche nach diesbezüglicher Erleuchtung trifft er auf – na, wen wohl: Prinz Florizel von Böhmen und auf John Vandeleur. John ist der Bruder des Sir Thomas Vandeleur, ehemaliger Diktator von Paraguay und Diamantenjäger ohne Skrupel.

Rolles und Vandeleur gehen ein Bündnis ein, das beide nach Paris führen und Rolles nicht gut bekommen wird…

„Die Geschichte des Hauses mit den grünen Fensterläden“

Jetzt ist der junge Francis Scrymgeour, rechtschaffener Schreiber in der Bank von Schottland, an der Reihe, seinen Part in der Jagd nach dem Diamanten des Rajahs zu übernehmen.

„Wenige junge Leute waren zufriedener, wenige williger und arbeitsamer als Francis Scrymgeour. Manchmal, wenn er abends die Zeitung gelesen hatte, spielte er seinem Vater, den er hoch in Ehren hielt, um ihn zu erfreuen, auf der Flöte vor.“

Seite 148, „Geschichte des Hauses mit den grünen Läden“, aus Robert Louis Stevenson, „Der Selbstmörderclub und andere Erzählungen“, 304 Seiten, Neubearbeitung nach verschiedenen deutschen Erstausgaben, Herausgeber R.W. Pinson, erschienen 1977 im Moewig Verlag München.

Die Rechtschaffen- und Zufriedenheit Scrymgeours ändern sich, als er eine Erbschaft seines wahren Vaters erhält. Der Mann, den er bisher für seinen Erzeuger hielt, ist lediglich sein Adoptivvater. 500 Pfund jährlich werden Francis von dem unbekannten Vater vermacht. Zudem soll er an einem bestimmten Tag in Paris ein Billet in einem bestimmten Theater lösen und während der Vorstellung seinen Platz nicht verlassen.

Francis reist nach Paris und tut, wie ihm geheißen wurde. Als er die Theaterkasse aufsucht, wird ihm das bereits bezahlte Billett übergeben. Francis fragt nach und erhält die Auskunft, dass ein Herr gerade erst die Eintrittskarte bezahlt habe und noch nicht weit fort sein könne. Der Mann wird ihm als alt, gutaussehend und mit einer Säbelnarbe quer über das Gesicht beschrieben.

Francis läuft seinem Wohltäter (und Vater?) nach und streift eine Zeit erfolglos umher. Plötzlich sieht er zwei Männer im Gespräch, einen jüngeren und einen älteren, auf den die Beschreibung des Theaterkassierers zutrifft.

Der jüngere Mann ist ein Mr. Rolles, der den Älteren Mr. Vandeleur nennt. Die beiden streiten um schmutzige Geschäfte, um Misstrauen und Vertrauen, um den Bruder Vandeleurs und um einen Diamanten. Endlich ist die Geduld Vandeleurs erschöpft und er droht: entweder werde sich Mr. Rolles bis Dienstag gedulden oder die Folgen zu spüren bekommen.

Der Diamant des Radjahs

Mr. Vandeleur verlässt Mr. Rolles, Francis folgt ihm unauffällig bis zu einem Haus mit grünen Fensterläden, in dem sein vermeintlicher Vater lebt.

(Bild rechts: TF3000/Pixabay)

Francis quartiert sich in einem Nachbargebäude ein und lässt das Haus mit den grünen Läden nicht mehr aus den Augen. Er beobachtet, dass Vandeleur eine schöne Tochter hat, die dem Alten den Haushalt besorgt und das Gebäude nur verlässt, um zum Markt zu gehen. Francis hält die junge Frau für einen Engel, ist sie nun seine Schwester oder könnte sie seine zukünftige Frau werden?

Francis Scrymgeour bleibt weiter auf seinem Spionageposten: er hört eine Unterhaltung zwischen den Brüdern Vandeleur mit, in der der Name „Francis Vandeleur“ fällt. Von dem Portier in seinem Haus erfährt er die Geschichte des Diamanten des Rajahs und dass John Vandeleur, den er für seinen Vater hält, ein reicher Diamantenjäger ist.

Er freundet sich mit Johns Tochter an und erlebt, wie Vandeleur den unglückseligen Mr. Rolles betäubt. In diesem Augenblick hält es Scrymgeour nicht mehr auf seinem verborgenen Beobachterposten, er dringt in Vandeleurs Haus ein und wirft sich seinem vermeintlichen Vater vor die Füße.

Der Alte gerät in Wut und schleudert Francis entgegen, er sei der Sohn seines Bruders und eines Fischweibes. Sein törichter Bruder habe ihm eine Rente ausgesetzt und wolle ihn gern als Ehemann seiner – Johns – Tochter sehen, aber daraus werde nichts.

Miss Vandeleur geleitet den gedemütigten Francis auf Anweisung ihres Vaters zur Haustür, übergibt ihm mit tröstenden Worten rasch einen in ein Taschentuch gewickelten Gegenstand und rät ihm, zu fliehen, so schnell und weit er kann. Was Francis nicht ahnt: er hält den Diamanten des Rajahs in seiner Hand.

Kann Francis sich retten? Wird er die Hand der Miss Vandeleur gewinnen? Und erfahren wir, was aus Mr. Rolles wird? Ich verrate nicht zu viel, wenn ich Euch sage, dass einmal mehr die Stunde des weisen und gütigen Prinzen Florizel von Böhmen schlägt…

„Das Abenteuer Prinz Florizels und des Detektivs“

… der in der letzten Geschichte des Zyklus „Der Diamant des Rajahs“ im Besitz des Diamanten ist, von der Polizei vorgeladen wird und auf dem Weg dorthin den Edelstein jeglicher Gier und böser Intrigen entzieht. Und seine eigene königliche Existenz bald darauf auf recht skurrile Art und Weise weiterführen wird.

„Der Diamant des Rajahs“ – mein Fazit

Wie „Der Selbstmörderclub“ eine spannende, amüsante und verwickelte Geschichte, die Stevenson uns erzählt, eine perfekte Mischung aus Komödie und Drama. Alle Fäden laufen beim Prinzen von Böhmen zusammen, eine fantastische Figur: adelig, weise, hilfsbereit.

Viktorianische Zeilenreise KW 38

Soll Florizel eine Persiflage auf Robin Hood oder einen Superdetektiv oder gar den „deus ex machina“ der antiken Tragödie sein?

Stevenson spielt in „Der Diamant des Rajahs“ einmal auf seinen französischen Schriftstellerkollegen Émile Gaboriau und dessen Ermittler, Inspektor Lecoq (siehe Quellen und Weblinks) an. Wollte er das berühmte Vorbild des Sherlock Holmes ein bisschen durch den Kakao ziehen?

Oder geht es Stevenson gar um die gesellschaftliche/menschliche Moral? So wie Prinz Florizel – der Langeweile des Reichtums überdrüssig geworden – in „Der Selbstmörderclub“ der Suche nach lasterhaften Vergnügungen erliegt, sind es in „Der Diamant des Rajahs“ unbescholtene junge Männer, die durch ein plötzlich auftretendes Ereignis in den Sog der Versuchung geraten.

Ich weiß es nicht, ich meine, er hat einfach aus all diesen Komponenten eine bunte literarische Vielfalt „angerührt“. Fragen wir nicht nach, überlassen wir uns dem Vergnügen des Lesens!! Und das hatte ich voll und ganz!

„Der Diamant des Rajahs“ – mein Lese-Exemplar

stammt aus dem schon älteren Sammelband: Robert Louis Stevenson, „Der Selbstmörderclub und andere Erzählungen“, 304 Seiten, Neubearbeitung nach verschiedenen deutschen Erstausgaben, Herausgeber R.W. Pinson, erschienen 1977 im Moewig Verlag München.

Gibt es auch als modernere Einzelausgabe:

Oder als englischsprachige „New Arabian Nights“:

„Der Diamant des Rajahs“ – Quellen und Weblinks

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