»Caspar Richter« – Christine Piswanger-Richter (2024)

von | 17.09.2024 | Buchvorstellung

»Das muss swingen, zack, zack!« [Caspar Richter]

»Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt« – drei gute Gründe

Eigentlich schreibe ich auf Meine Leselampe nur über Literatur, Schriftsteller oder Ereignisse aus der viktorianischen Ära. Heute mache ich mal eine Ausnahme, um ein Buch meiner Leiermann-Autoren-Kollegin Christine Piswanger-Richter vorzustellen. Ich habe drei gute Gründe dafür, abgesehen davon, dass es sich bei der Autorin um eine geschätzte Mitstreiterin in Sachen Kultur handelt.

Erstens hat es mir diese Biographie besonders angetan. Oder vielmehr der Mann, über den Christine schreibt, hat es mir angetan: ein Dirigent, der den Taktstock immer ein wenig schneller schwang als seine Kollegen und schon als jugendlicher Paukist temporeich vorpreschte:

»Das Weihnachtsoratorium (von Johann Sebastian Bach) beginnt bekanntlich mit dem Eingangschor »Jauchzet, frohlocket« und dieser wiederum mit dem Thema mit den charakteristischen Paukenschlägen. Für meinen Geschmack war das in bisherigen Aufführungen immer zu langsam, deswegen entschloss ich mich spontan, hier ein schnelleres Tempo vorzugeben. Damit wurde zwar dem Gedanken des »Frohlockens« besser entsprochen, so manche Musiker aber waren doch etwas überrascht und mussten sich schnellstens umstellen. Der Dirigent der Aufführung war zunächst auch verblüfft, aber der Chor ging begeistert mit, und unsere jauchzende Stimmung übertrug sich auch auf das Publikum. Ob ich damals das erste Mal gemerkt hatte, wie sich das anfühlt, den Musikern »meine Vorstellung« weiterzugeben?«

aus: Piswanger-Richter, Christine, …so ging das immer weiter, Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt, Leiermann-Verlag, 2024, S.20.

Ja, Caspar Richter war gern »zack, zack« unterwegs!

Zweitens war Caspar Richter ein Dirigent, der Großes geleistet hat und viel zu wenig (für meinen Geschmack) zur öffentlichen Geltung kam.

Caspar Richter

So ist sein Eintrag bei Wikipedia [2] sehr kurz und knapp, da schafft das Buch »Caspar Richter, der Dirigent der Vielfalt« Abhilfe und schließt viele Informationslücken!

(Bild links: Leiermann-Verlag/Ch. Piswanger-Richter/Gra­fik: Lili­ya Butenko)

Und drittens: Ich durfte das Buch schon lesen, bevor es offiziell am 15. September 2024 im »Vindobona« [1] in Wien vorgestellt wird. Wann hatte ich je einen solchen Vorsprung vor der Presse und anderen Bloggern? Den muss ich einfach nutzen!

»Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt« – Blick ins Buch

Eigentlich wollte Caspar Richter keine Memoiren verfassen und hielt sich daran bis 2022. In dem Jahr entschloss sich der Dirigent dann doch, über sein bewegtes Leben und seine Laufbahn zu schreiben und erkor die Musikvermittlerin Christine Piswanger-Richter zu seiner Ghostwriterin. Leider begann er zu spät! Im Februar 2023 starb Caspar Richter im Alter von 78 Jahren und seine unvollendete Autobiographie wäre vielleicht in irgendeiner Schublade in Vergessenheit geraten (ich weiß, Richter und seine Ghostwriterin nutzten die segensreiche Erfindung des Laptop, die Schublade des Vergessens klingt jedoch so hübsch), wenn Christine Piswanger-Richter sich nicht entschlossen hätte, das begonnene Werk fortzusetzen und fertigzustellen. Eine mühsame, aber dank der Hilfs- und Gesprächsbereitschaft zahlreicher Weggefährten Caspar Richters eine lohnenswerte Arbeit!

Caspar Richter stammt aus einer musikliebenden Lübecker Pfarrersfamilie. Er begann seine musikalische Lauf­bahn in seiner Geburtsstadt mit Klavier- und Orgelunterricht sowie als Sänger in der Lübecker Knabenkantorei. Nach dem Abitur studierte er in Ham­burg Klavier, Schlagzeug, wie man komponiert und wie man den Taktstock schwingt. In »… so ging das immer weiter. Caspar Richter – Dirigent der Vielfalt« erzählt Richter, wie er just dort zu seinem ersten bedeutenden Enga­ge­ment an der Deut­schen Oper Ber­lin kam:

»Schon während des Studiums an der Musikhochschule Hamburg meldete mich mein Professor Helmut Franz, […], zu einem Vorspiel an der Deutschen Oper Berlin an. Damit hat er mich zwar ein bisschen unter Druck gesetzt, aber das sollte sich auszahlen. Ich ging also zum vereinbarten Termin zum Vorspiel, setzte mich ans Klavier und begann mit den Stücken, auf die mich mein Lehrer vorbereitet hatte. […]. Plötzlich kam Lorin Maazel dazu, der damals Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin war. Er hatte natürlich auch noch eigene Wünsche, die ich am Klavier erfüllen sollte, wie Passagen aus der Lulu von Alban Berg oder aus der Walküre.

In dieser Situation habe ich mich nicht sehr wohl gefühlt. Am Ende verlangte er noch den Schluss des Finales 1. Akt von Mozarts Le Nozze di Figaro. »Wieso denn das?«, fragte ich ein wenig vorlaut, »das ist doch ganz einfach!« Maazel: »Schauen wir mal!« Längere Pause, dann:» Sie wollen bei uns arbeiten? Okay, machen wir das!« Und schon hatte ich ein erstes Engagement als Korrepetitor. Ich war der Letzte, der ihm noch persönlich vorgespielt hat, um zu einem Engagement an der Deutschen Oper Berlin zu kommen. «

aus: Piswanger-Richter, Christine, …so ging das immer weiter, Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt, Leiermann-Verlag, 2024, S.31.

Und so ging das bei Caspar Richter tatsächlich immer weiter – bis an die Wie­ner Staats­oper, die Wie­ner Volks­oper und bis zur Gründung des Orches­ters der Ver­ei­nig­ten Büh­nen Wien durch ihn. Rich­ter war ebenso Exper­te für Alte Musik (frühes Mittelalter, Renaissance, bis Spätbarock) wie für Neue Musik (ab 1910, die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts), hier waren besonders seine Inter­pre­ta­ti­onen der Werke Gustav Mah­lers, Jacques Offen­bachs oder Leonard Bern­steins sehr gefragt und geschätzt. Und Richter lei­te­te zahl­rei­che öster­rei­chi­sche Musical-Erst­auf­füh­run­gen wie »Phan­tom der Oper« (1988) bis hin zu Welt­pre­mie­ren (u.a. »Eli­sa­beth«, 1992), die dann von Wien aus ihren Sie­ges­zug in die Welt antraten.

Luzia Nistler, die in »Phantom der Oper« die Rolle der Christine sang und spielte, erinnert sich gut an die Zusammenarbeit mit Caspar Richter und an seine liebenswürdigen Eigenarten:

»Schon bei der Auswahl der Künstler wurde auf gutes Deutsch Wert gelegt und Caspar – mit seiner norddeutschen Art – hat das sehr schlüssig rübergebracht. Nicht immer geschah das durch mündliche Erklärung, Caspar ist ein ausgezeichneter Briefeschreiber, und oft hingen Briefe ans Ensemble von ihm am Schwarzen Brett, die so voller Herzlichkeit und Seele waren, und manchmal dachte ich, dass er sich schriftlich fast noch besser vermitteln kann als mündlich.«

aus: Piswanger-Richter, Christine, …so ging das immer weiter, Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt, Leiermann-Verlag, 2024, S. 85.

Herzlich war Caspar Richter, das bestätigen in »Caspar Richter, der Dirigent der Vielfalt« alle, mit denen er gearbeitet hat. Aber er konnte bei den Proben auch schon mal anders – wie Walter Lochmann, Komponist, Pianist, Arrangeur und von 1987 bis 2009 unter anderem als Chordirektor und Dirigent an den Vereinigten Bühnen Wiens tätig, bestätigt :

»Caspar hatte bisweilen einen schwierigen Umgang mit Menschen. Wenn er die Leute buchstäblich »an die Decke« brachte, war es meine Aufgabe, sie da wieder runterzuholen. Ich hab‘ gern mit ihm zusammengearbeitet, wir waren ein symbiotisches Team und haben uns gegenseitig den Rücken frei gehalten.«

aus: Piswanger-Richter, Christine, …so ging das immer weiter, Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt, Leiermann-Verlag, 2024, S. 134.

Das sind nur einige Facetten von Caspar Richters Persönlichkeit, ein vollständigeres Bild von ihm, seiner Vielseitigkeit und seinen künstlerischen Verdiensten müsst Ihr Euch schon selbst »er-lesen«. »Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt« ist eine ganz wunderbare Biographie, die nahtlos an die begonnene Autobiographie anknüpft: spannend, informativ, humorvoll und mit viel Einfühlungsvermögen und Herz geschrieben. Und nicht nur den Musikliebhabern unter uns kann ich es wärmstens empfehlen – ich, die ich bisher nur die Dirigenten Herbert von Karajan und Daniel Barenboim kannte und gerade mal Dur und Moll voneinander unterscheiden kann, habe das Buch mit Begeisterung »verschlungen«. Caspar Richter hätte es wahrlich verdient, ein Viktorianer zu sein!!!

Danke dafür, Christine Piswanger-Richter und natürlich danke für das Rezensionsexemplar!!

»Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt« – ein Buch, ein Team

  • Thomas Stiegler, Gründer und Leiter des österreichischen Leiermann-Verlags -> https://www.der-leiermann.com/ und selbst Autor [4] sagte Christine Piswanger-Richter spontan zu, das Buch zu verlegen,

ohne vorher auch nur eine Zeile gelesen zu haben. So groß (und gerechtfertigt) war das Vertrauen. Und seitdem gibt es beim Leiermann-Verlag auch die Rubrik „Biographien“.

(Bild rechts: von Thomas Stiegler zur Verfügung gestellt)

Kaffee – 35 Kulturgeschichten für Genießer

Caspar Richter – Dirigent der Vielfalt

war besonders gefordert, weil sie die Kapitel, die aus dem direkten Gespräch mit Caspar Richter resultieren, mit ihm nicht mehr persönlich besprechen konnte.

(Bild links: überlassen von Andrea Strobl)

  • Grafikerin Lili­ya Butenko hat liebevoll das ansprechende Cover kreiert,

hier beim Farbcheck vor dem Andruck, hinter ihr Erwin Geiersberg von der Firma Riedeldruck im österreichischen Auersthal…

(Bild rechts: von Ch. Piswanger-Richter zur Verfügung gestellt)

Caspar Richter – Christine Piswanger-Richter (2024)

Caspar Richter – Christine Piswanger-Richter

in Aktion beim Andruck, gemeinsam mit dem Digitaldruck-Operator Arlind Loshaj.

(Bild links: von Ch. Piswanger-Richter zur Verfügung gestellt)

»Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt« – die Buchpräsentation

Die Unwetter, die am 15. September auch Österreich heimsuchten, haben es leider verhindert: Christine Piswanger-Richter wollte just an dem Tag ihre (Auto-)Biographie im »Vindobona« in Wien vorstellen, wo Caspar Richter seine letzten Konzerte dirigierte und das quasi bis zuletzt sein »Wohnzimmer« war. Frühere KollegInnen des Dirigenten Caspar Richter – darunter Lisa Antoni, Leo Floyd, Rudolf Gindlhumer, Horst Hausleitner, Walter Lochmann, Felix Martin, Luzia Nistler, Silvia Radobersky, Karin Schynol-Korbay und Stefania Seculin – hätten sich eingestellt, um die Autorin erzählend und musikalisch zu unterstützen. Doch was nicht war, wird noch werden. Der Termin wird auf jeden Fall nachgeholt!!!

»Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt« – Erläuterungen und Links

[1] Was ist das »Vindobona«? Infos für Nicht-Wiener u.a. über diese Links -> https://de.wikipedia.org/wiki/Vindobona_(Kleinkunstb%C3%BChne) oder auch ->https://www.wien-ticket.at/de/service/house/79/Das-Vindobona/calendar

[2] Über Caspar Richter auf Wikipedia -> https://de.wikipedia.org/wiki/Caspar_Richter

[3] Nachrufe auf Caspar Richter von seinen ehemaligen Wirkungsstätten -> https://gulda-school-of-music.com/news/ein-leben-fuer-die-musik-caspar-richter-1944-2023, https://www.deutschemusicalakademie.de/wir-trauern-um-caspar-richter.html, https://deutscheoperberlin.de/de_DE/im-gedenken-an-caspar-richter, https://www.musicalvienna.at/de/aktuelles/1176/VBW-trauern-um-Caspar-Richter

[4] Thomas Stieglers aktuellstes Buch handelt von meiner (und seiner) »Lieblingsdroge«, dem Kaffee und wurde erst kürzlich auf Meine Leselampe vorgestellt -> https://www.meineleselampe.de/kaffee-35-kulturgeschichten-fuer-geniesser/

»Caspar Richter, Dirigent der Vielfalt« – das Buch

Piswanger-Richter, Christine: »… so ging das immer weiter. Caspar Richter – Dirigent der Vielfalt«, 208 Seiten, mit einem Bildteil in der Mitte, einer Chronologie, einer Liste der Einspielungen und einem QR-Code, der zu einer Playlist mit Aufnahmen, Interviews und Probeneinblicken auf der Leiermann-Webseite führt, Grieskirchen, 2024.

Das Buch könnt Ihr direkt über den Leiermann-Verlag beziehen -> https://www.verlag.der-leiermann.com/caspar-richter-dirigent-der-vielfalt/ und es ist natürlich im Buchhandel erhältlich!

Der Beitrag wurde erstmals am 29. August 2024 veröffentlicht und aktualisiert nochmals am 17. September 2024.

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Caspar Richter