Inhalt
„Bleak House“ – kurze Einführung
„Bleak House“ (1852) ist ein viktorianischer Roman, der die Missstände der damaligen Zeit in grotesk-überzeichneten Bildern und in einem düster-schauerlichen Spannungsfeld aufzeigt.
Damit nicht genug: Autor Charles Dickens hat noch eine Kriminalgeschichte eingebaut und erzeugt durch einen stetigen Wechsel zwischen der Ich-Erzählerin Esther und einem allwissenden Beobachter interessante Perspektiven.
Dickens kritisiert das in sich verzahnte, überalterte und zum Stillstand gekommene System von Politik, Justiz und Adel, das tiefstes menschliches Elend und Leiden erzeugt. Gleichzeitig würdigt Dickens diejenigen Zeitgenossen, die ernsthaft und bescheiden versuchen, die allgegenwärtige Armut zu lindern.
Im Roman „Bleak-House“ symbolisieren vorrangig Esther Summerson, John Jarndyce und der junge Arzt Allan Woodcourt die private Wohlfahrt ohne Selbstzweck, die es in viktorianischer Zeit eben auch gab.
„Bleak House“ – Fortsetzung des Inhalts
Wir kehren wieder zurück ins neblige London: nach einer Nacht im chaotischen Haushalt der Jellybys und der Bekanntschaft mit Miss Flite und Mr. Crook reisen Esther Summerson, Ada Clare und Richard Carstone von London nach Bleak House, dem Wohnsitz von John Jarndyce und ihrem künftigen Zuhause.
Er ist der vom Kanzleigericht eingesetzte Vormund der Waisen Ada und Richard, die beide mögliche Erbberechtigte im Jahrzehnte dauernden Prozess „Jarndyce gegen Jarndyce“ sind. Esther steht auch unter der Obhut von John Jarndyce und soll als Adas Gesellschafterin fungieren.
Wie sie zusammengekommen sind und was sie bisher erlebt haben, könnt Ihr in Teil 1 nochmal nachlesen: Ch. Dickens, „Bleak House“, Teil 1
Als die drei abends in Bleak House eintreffen, empfängt Jarndyce sie herzlich und führt sie gleich ins hell erleuchtete Haus und ans warme Kaminfeuer.
Jarndyce ist ca. 60 Jahre alt, offen, gütig und hilfsbereit. Dank erträgt er nicht, wird er Opfer von Täuschungen oder Enttäuschungen, spürt er „Ostwind“ und zieht sich in sein „Brummstübchen“ zurück.
Bleak House gehörte einst dem unglückseligen Tom Jarndyce. Seit John darin wohnt, ist es nicht länger trostlos, sondern anheimelnd und gepflegt.
(Bild links: drippycat/Pixabay)
Ein starker Kontrast zum Stammsitz der Dedlocks, Chesney Wold,
einem alten Schloss mit endlosen dunklen Raumfluchten, verstaubten Ahnenporträts und einer Terrasse, auf der geisterhafte Schritte zu hören sind, wenn der Familie Dedlock ein Unheil droht.
(Bild rechts: Peter H/Pixabay)
Zu Gast bei Jarndyce ist Harold Skimpole, der sich selbst als ein unschuldiges Kind bezeichnet, das von seinen Mitmenschen erbittet, ihn auf ihre Kosten gut leben zu lassen. Skimpole hat eine Frau und viele Kinder, kümmert sich aber nur um sich selbst. Der viktorianische herzlose Schnorrer par excellence, der großen Schaden anrichten wird.
Noch finden Esther, Ada, Richard und der gutmütige John Jarndyce ihn amüsant, doch schon am ersten Abend pumpt Skimpole dreist Esther und Richard an, als der Schuldeneintreiber Neckett auftaucht (seine Tochter Charly wird später Esthers Zofe). Ein „Ostwind“-Erlebnis für Jarndyce, als er davon erfährt.
Harmonische Stunden in Bleak House – in London setzt sich währenddessen eine Maschinerie des Unheils in Gang. Tulkinghorn, der Advokat der Dedlocks, forscht nach, warum Mylady beim Anblick einer Kanzleischrift so derart außer Fassung geraten konnte. Er forscht nach der Adresse des Schreibers Nemo und findet ihn tot in seinem Zimmer, gestorben an einer Überdosis Opium.
Der herbeigerufene Hauswirt und Lumpensammler Crook nimmt unbemerkt einen Stapel Liebesbriefe an sich. Da er nicht lesen kann, bringen sie ihm nichts. Für einige erpresserische Kreaturen werden die Briefe noch zum Objekt der Begierde und dienen kriminellen Umtrieben.
Nemo wird nach einer kurzen Untersuchung der Todesursache an einem elenden Platz verscharrt. Der armselige Straßenfegerjunge Jo, dem er manchmal Geld gegeben hat, ist vielleicht der einzige, der um ihn trauert. Doch Jo hat nicht viel Zeit, zu trauern, da ihn Mr. Tulkinghorn und später andere nach Nemo ausfragen, bedrängen und beschuldigen.
Dabei ist Jo einer, der wirklich „nie nichts weiß oder getan hat“, er kämpft in dem Slum „Tom-All-Alone’s“ täglich um sein armseliges Leben. Die verfallene und öde Gegend, in der er haust und wo Kinder auf den Straßen verhungern, ist auch ein „Abfall“-Produkt der Arbeit des Kanzleigerichts.
Nicht nur Advokat Tulkinghorn schnüffelt herum, auch der junge Mr. Guppy tut es. Der Angestellte der Kanzlei Kenge und Carboy hat sich in Esther verliebt und ihm ist – zunächst unterbewusst, glaube ich – ihre Ähnlichkeit zu Lady Dedlock aufgefallen.
Bei einer Tasse Tee mit dem „öligen“ Geistlichen Chadband erfährt Guppy von dessen Frau (der ehemaligen Dienerin der Patin Miss Barbary), dass Esther nicht Summerson, sondern Hawdon heißt. Guppy wird aktiv…
Als Mylady Dedlock von Tulkinghorn hört, wer der Schreiber ist und dass dieser tot aufgefunden wurde, begibt sie sich heimlich auf Spurensuche nach London. Tief verschleiert sucht sie Jo und bezahlt ihn dafür, dass er sie an die Orte führt, wo Nemo gelebt hat, wo er gestorben ist und wo er begraben wurde.
(Bild links: Mystic Art Design/Pixabay)
Richard und Ada haben sich ineinander verliebt, auf Anraten ihres Vormundes sollen sie aber noch warten, um erst ihren Weg im Leben zu finden. Beide willigen ein. Jarndyce warnt Richard, nicht auf das Erbe aus dem Prozess zu vertrauen.
Daher beratschlagt man in Bleak House, welchen Beruf Richard ergreifen könnte. Der junge Mann entscheidet sich spontan, Mediziner zu werden. Kanzlei Kenge bringt ihn zur Ausbildung bei einem angesehenen Arzt in London unter.
Bei Richards Antritts-Dinner im Haus des Mediziners lernen sich Esther und der junge Arzt Allan Woodcourt kennen und verlieben sich ineinander. Da Woodcourt vorwiegend die Armen Londons ohne Bezahlung behandelt, ist er wie Esther mittellos. Das zwingt ihn im Laufe des Romans „Bleak House“, eine Stelle als Schiffsarzt anzunehmen und England und seine heimliche Liebe für lange Zeit zu verlassen. Doch er darf als Held zurückkehren…
Der unstete Richard ist nicht mit Feuereifer bei seiner Ausbildung zum Arzt, er wirft bald das Handtuch und möchte Jura studieren. Er kommt in der Kanzlei Kenge und Carboy unter und leider mit den Akten des Falls „Jarndyce gegen Jarndyce“ in Berührung. Noch einmal wechselt Richard seine Profession, diesmal zieht es ihn zur Armee. Und dann läuft alles ganz schrecklich aus dem Ruder.
Früher als mit Jarndyce besprochen, heiraten Richard und Ada heimlich. Durch schlechtes Zureden von Parasiten wie „Kind“ Skimpole misstraut Richard John Jarndyce und dessen gut gemeinten Ratschlägen immer mehr. Sogar Esther verliert ihren begütigenden Einfluss auf ihn.
„Jarndye gegen Jarndyce“ hat ihn fest im Griff, Richards Untergang ist besiegelt, er wird seine Gesundheit, sein Geld und schließlich sein Leben verlieren.
Esther fühlt sich in ihrem neuen Leben bei John Jarndyce wohl. Sie darf nicht nur ihrer geliebten Ada Gesellschaft leisten, sondern hat als Haushälterin in Bleak House Schlüsselgewalt und führt die Bücher. Sie und Jarndyce gehen wie ein altes und vertrautes Ehepaar miteinander um. In ihrer Gutherzigkeit sorgen beide stets und unauffällig für die Armen und vom Schicksal Geschlagenen.
So passiert es, dass die hilfsbereite Esther sich beim Straßenjungen Jo mit Pocken ansteckt und sehr schwer erkrankt. Danach ist ihr Gesicht durch Pockennarben entstellt und sie entsagt innerlich ihrer großen Liebe Allan Woodcourt. Esther will ihm nicht zumuten, sie aus Anstand und Mitleid zu heiraten. Stattdessen willigt sie in die Verlobung mit John Jarndyce, ihrem väterlichen Freund, ein.
Jo hat die Pocken überstanden, stirbt wenig später aber an Entkräftung und Unterernährung. Dickens schreibt dramatisch und zornig:
„Tot, Euer Majestät! Tot, hoher Adel und verehrungswürdiges Publikum! Tot, recht Ehrwürdige und unrecht Ehrwürdige jeder Konfession! ……..Und so sterben sie rings um uns jeden Tag!“
Seite 764 aus Charles Dickens, „Bleak House“, 1031 Seiten, übersetzt von Richard Zoozmann, Illustrationen von Phiz, erschienen 1988 im Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig.
Mylady Dedlock untersagt dem Haus-Anwalt Tulkinghorn, weitere Schritte in Sachen Nemo zu unternehmen, vergeblich. Tulkinghorn will das Geheimnis um Mylady und ihre Beziehung zu dem Schreiber herausfinden. Jedes Mittel ist ihm Recht.
Er erpresst einen ehemaligen militärischen Weggefährten Nemos und bedient sich der französischen Zofe der Mylady Dedlock. Die eifersüchtige und jähzornige Hortense will sich an ihrer Herrin rächen, da diese sie hinausgeworfen hat. Sogar den aufrechten Ermittler Bucket von der Geheimpolizei spannt Tulkinghorn kurzzeitig ein, nicht ahnend, dass dieser bald einige Morde aufzuklären hat, einen davon an Tulkinghorn selbst.
Kleine Anmerkung am Rande: die Figur des Bucket hat einen realen Hintergrund und ist eine Würdigung anständiger und gerechter Polizeiarbeit. Zu Dickens Zeit wurde Scotland Yard neu gegründet und die Beamten stießen bei der Bevölkerung anfangs auf tiefes Misstrauen.
Mylady Dedlock und Esther begegnen sich zufällig einige Male und fühlen sich miteinander vertraut, wissen aber nicht, warum. Als sie erkennen, dass sie Mutter und Tochter sind, müssen sie sich gleich wieder trennen und voneinander verabschieden. Mylady Dedlock wird keinen Frieden mehr finden, schade, sie war keine von Grund auf herzlose Frau.
In ihrer Jugend hatte sie sich in den leichtsinnigen Kapitän Hawdon (den wir als Nemo kennengelernt haben) verliebt. Sie hatte – unverheiratet – sein Kind zur Welt gebracht. Ihre Schwester, Miss Barbary, ließ sie in dem Glauben, das Baby sei bei der Geburt gestorben, gab ihm den Namen Esther Summerson und zog das Kind selbst auf.
Und über Hawdon hörte Mylady das Gerücht, er sei umgekommen. So hatte sie Baronet Leicester Dedlock geheiratet und sich um nichts mehr gekümmert.
Zu guter Letzt gerät Mylady Dedlock unter Mordverdacht, flieht und stirbt in einer Winternacht am Grab ihres Geliebten. Bucket und Esther suchen nach ihr, kommen jedoch zu spät.
Sir Leicester, der aus Sorge um seine plötzlich verschwundene Gattin einen Schlaganfall erlitten hat, lässt sie im Mausoleum von Chesney Wold beisetzen, trotz des gesellschaftlichen Skandals. Sein Stolz ist gebrochen, todkrank wartet er darauf, seiner geliebten Frau folgen zu können.
Das Ende von „Bleak House“ gestaltet Charles Dickens versöhnlich, nach einem unerträglich spannenden und düsteren „Showdown“ belohnt seine „standhaften und braven“ Akteure und lässt uns endlich durchatmen.
John Jarndyce, großzügig und herzensgut, gibt Esther frei und besorgt Allan Woodcourt eine Anstellung, damit sie heiraten können. Der verwitweten Ada und ihrem Sohn bietet er ein Heim in Bleak House.
„Bleak House“ – was noch zu sagen wäre
So, damit habe ich lediglich das Fragment der Handlungsstränge und vielleicht die Hälfte aller im Roman „Bleak House“ vorkommenden Figuren vorgestellt.
Es fehlen so viele, die in die mysteriösen und bedrohlichen Ereignisse verstrickt sind: der hartherzige, gierige Großvater Smallweed, der aufrechte Sergeant George oder der unter seiner Ehefrau leidende Papierhändler Mr. Snagsby.
Auch die Soldaten-Familie Bagnet, Mr. Gridley, Mr. Boythorne, Rosa, Guster, den Vampir-Advokat Vholes, die hüpfende und „pickende“ Volumnia oder die brave Mrs. Rouncewell (und ihren zweiten Sohn, den Eisen-Werksbesitzer) habe ich nicht erwähnt, die Essig-und-Öl-Chadbands nur kurz gestreift und und und…
Obwohl, vielleicht vergrößert das den Anreiz, das „Panorama“ des Charles Dickens selbst zu entdecken.
„Bleak House“ – mein Fazit
Ein außergewöhnlicher Roman eines außergewöhnlichen Schriftstellers. Die Handlung entfaltet sich wie einer der altertümlichen, von Hand bestickten Wandteppiche: unzählige Fäden kreuzen und mischen sich und verbinden mehrere Geschichten zu einer gigantischen Komposition.
Überwindet den nicht einfachen Einstieg, es lohnt sich, Ihr werdet von dem Buch nicht mehr loskommen…..Man kann es sogar mehrmals lesen!!!!!
„Bleak-House“ – Quellen und Weblinks
- zusätzliche „Bleak House“-Infos -> https://www.charlesdickenspage.com/charles-dickens-bleak-house.html
„Bleak House“ – mein Lese-Exemplar
Charles Dickens, „Bleak House“, 1031 Seiten, übersetzt von Richard Zoozmann, Illustrationen von Phiz (Hablot Knight Browne), erschienen 1988 im Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig.