Inhalt
„Die Frau in Weiß“ – Einleitung
Wilkie Collins (1824-1889), von seinem viktorianischen Kollegen und späteren Freund Charles Dickens 1851 sozusagen „entdeckt“ und gefördert, wird in „Knaurs Lexikon der Weltliteratur“ erst gar nicht erwähnt. Zumindest in meiner Ausgabe von 1979, die sich laut Vorwort nur den w i c h t i g e n Werken und Autoren widmet. Vermutlich ist für Literaturwissenschaftler ein Wilkie Collins zu trivial. Ich meine, er hätte eine Notiz verdient, da er schließlich das Genre des Kriminalromans mit „Die Frau in Weiß“ und mit „Der Monddiamant“ begründet hat. Na gut, Ansichtssache…..
In „Die Frau in Weiß“ sind Laura und Marian derzeit hilflos in die geheimnisvollen Machenschaften der Herren Fosco (der Kopf des Ganzen, vermute ich) und Glyde verstrickt. Die Halbschwestern liegen noch krank, bzw. erschöpft darnieder, da wird die Haushälterin Eliza Michelson von Blackwater Park nach Torquay geschickt, um eine angemessene Unterkunft für die Erholung der Damen zu finden. Die Liste der Auswahl-Kriterien ist übertrieben anspruchsvoll, dass Frau Michelson nicht glaubt, etwas dementsprechendes zu finden……..
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„Die Frau in Weiß“ – weiter mit dem Inhalt
Mit dem vorliegenden Bericht von Frau Michelson und den anschließenden Zeugenaussagen gewinnt „Die Frau in Weiß“ allmählich den Charakter eines Detektivromans. Irgendjemand hat ja diese Berichte und Aussagen angefordert und versucht, den Vorgängen um Laura Fairlie und Anne Catherick auf die Spur zu kommen. Wir werden bald erfahren, wer dahinter steckt. Doch zunächst lässt Wilkie Collins seine Figur Eliza Michelson schildern, was sich im Sommer 1850 in Blackwater Park abgespielt hat.
„Die Frau in Weiß“, Zweiter Zeitraum, Bericht fortgesetzt durch Eliza Michelson (Haushälterin in Blackwater Park, Ende Juni bis Ende Juli), Teil 10:
Frau Michelson kehrt unverrichteter Dinge aus dem Badeort Torquay zurück. Keine Unterkunft hatte die aufgelisteten Ansprüche Sir Percival Glydes erfüllt.
Doch die Torquay-Pläne sind nicht mehr von Interesse für ihren Herrn, in Blackwater Park hat sich vieles geändert während Michelson’s Abwesenheit. Der Conte und die Contessa sind nach London gefahren, wo sie sich in einem gemieteten Häuschen in St. John’s Wood niederlassen wollen. Begleitet wurden sie offenbar von Frau Rubelle und Marian Halcombe, die weiter nach Limmeridge reisen will.
Frau Michelson glaubt, ihren Ohren nicht zu trauen, als Sir Percival ihr dies mitteilt und auch Laura ist fassungslos. Sie hat, matt und kränkelnd in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers, nichts von all dem mitbekommen. Die beiden schockierten Frauen sind misstrauisch und suchen sämtliche noch bewohnbaren Räume des Herrenhauses ab, finden aber tatsächlich keine Spur von und keinen Hinweis auf Marian Halcombe.
Laura bittet ihren Gemahl, sie ebenfalls nach Limmeridge-Haus fahren zu lassen, Marian hinterher. Und jetzt offenbaren sich die Ränkespiele des Conte.
Sir Percival gestattet seiner Frau, zu reisen, allerdings erst am nächsten Tag und nur – mit Hinweis auf ihre schwache Konstitution – wenn sie bei ihrer Tante und dem Conte in London Rast macht. Laura weigert sich, sie will auf keinen Fall dem Conte begegnen. Glyde präsentiert ihr eine kurze Notiz ihres Onkels Frederick Fairlie, in der dieser sie nach Limmeridge-Haus einlädt unter der Bedingung, dass sie in London bei den Foscos eine Pause einlegt. Laura bleibt keine Wahl, will sie Marian wiedersehen, muss sie sich den Wünschen der Männer fügen. Sir Percival Glyde ist zudem voll des Zorns und voll des Weins, da würde sich jeder weitere Widerspruch als verheerend erweisen.
Am nächsten Tag begleitet Frau Michelson Laura zur Bahnstation, sie hat Mitleid mit der jungen Frau. Glyde hatte sich zuvor von seiner Frau kurz und kalt verabschiedet und ist seitdem verschwunden.
In den nächsten Stunden ist Frau Michelson in Blackwater Park mit Haushaltsangelegenheiten und der Sorge um ihre junge Herrin beschäftigt. Lauras bleiches und ängstliches Gesicht am Zugfenster will ihr nicht aus dem Kopf. Als sie nachmittags im Park kurz frische Luft schöpfen will, trifft sie zu ihrer Überraschung Frau Rubelle (!?), die doch Sir Glyde zufolge mit Marian abgereist sein soll.
Frau Rubelle reagiert auf Frau Michelsons Fragen höhnisch: Marian Halcombe und sie hätten Blackwater Park nie verlassen. Sir Percival Glyde kommt hinzu und bestätigt Frau Rubelles Aussage. Man habe Marian in einen alten und unbewohnten Teil des Hauses gebracht. Ohne diese Täuschung hätte Laura nie den dringend notwendigen Erholungsurlaub angetreten, redet er sich heraus.
Frau Michelson reicht es, sie kündigt angesichts der Behandlung Lauras. In der viktorianischen Zeit hätte eine Eliza Michelson als Frau und Hausangestellte demütig und gehorsam sein müssen, die Kündigung zeigt, wie groß ihre Empörung über diesen Betrug ist. Glyde reagiert unbeeindruckt, sie könne gehen, aber wer sorge dann für Fräulein Halcombe? Denn Frau Rubelle werde noch heute nach London abreisen. Notgedrungen willigt Frau Michelson ein, zu bleiben bis Marian kräftig genug ist, um Blackwater Park zu verlassen.
Sie findet Marian in einem verstaubten Schlafzimmer untergebracht, es fehlt ihr aber an nichts. Vermutlich wurde sie bei ihrer Verlegung betäubt, dafür gibt es jedoch keine Beweise. In der Nacht hören die Frauen Sir Percival Glyde toben und schreien, kurz darauf verlässt er das Haus und kehrt nicht wieder zurück nach Blackwater Park.
Als Marian sich dank der Pflege Frau Michelsons erholt hat (Dr. Dawson war selbst erkrankt und konnte nicht kommen), reist sie nach Limmeridge-Haus. Bis London wird sie von Frau Michelson begleitet, die zu Verwandten will.
Hier schließt Eliza Michelson ihren „Rechenschaftsbericht“ ab. Die ehemalige Haushälterin von Blackwater Park bedauert, dass sie sich nicht an das exakte Datum von Lady Glydes Abfahrt nach London erinnern kann. Sie glaubt, dass es Ende Juli gewesen sein muss. Noch einmal ergreift Frau Michelson Partei für Conte Fosco, er ist in ihren Augen ein Ehrenmann, Sir Percival Glyde dagegen der alleinige Betrüger und Schurke.
Wilkie Collins lässt im zweiten Zeitraum von „Die Frau in Weiß“ weitere Beteiligte und Zeugen zu Wort oder zu Schrift kommen, gemäß ihrer Fähigkeiten und Bildung. Es sind mehrere kleine Einzelberichte, die, wie ein Puzzle zusammengesetzt, das Bild eines ungeheuerlichen Verbrechens ergeben.
Nach Eliza Michelson folgt die Fassung der mündlichen Aussage von Hester Pinhorn, Köchin im Dienste Conte Foscos (sie kann nicht lesen und schreiben). Wir schauen kurz auf das Wichtigste.
Hester Pinhorn ist frisch bei den Foscos in St. John’s Wood, Forest Road Nr. 5 als Köchin eingestellt worden, da wird auch schon Besuch angekündigt: die Nichte der Contessa, eine Lady Glyde. Die junge Dame trifft ein und erleidet heftige Krampfanfälle. Die Herrschaft schickt Hester, einen Arzt zu holen, diese wendet sich an den Arzt des Wohnviertels, Dr. Goodricke, der als Mediziner einen guten Ruf genießt. Dr. Goodricke befindet den Zustand Lady Glydes als sehr bedenklich, er diagnostiziert ein seit langem bestehendes Herzleiden.
Hester Pinhorn wacht nachts bei der Patientin, die sich am nächsten Vormittag kurz erholt, am Nachmittag dann aber an einem Herzinfarkt stirbt. Dr. Goodricke stellt den Totenschein aus, übernimmt die amtlichen Formalitäten (weil der Conte ja ein Ausländer und nicht mit den englischen Gebräuchen vertraut sei, wie er sagt) und bestellt die Leichenwäscherin ein.
Hester Pinhorn ist wie Eliza Michelson dem Charme des Conte erlegen, sie beschreibt ihn als seht teilnehmend und besorgt angesichts der Leiden von Lady Glyde. Sie beschwört, dass er niemals allein mit der Kranken im Zimmer war und ihr auch nie Medizin eingeflößt hat.
Der Conte ist es auch, der laut Hester Pinhorn den Sarg nach Cumberland zur Beisetzung begleitete, die von der Tante der Verstorbenen sehr nobel und teuer arrangiert wurde. Der Gatte der Verstorbenen, Sir Percival Glyde, weilte zu diesem Zeitpunkt im Ausland und konnte daher der Beerdigung nicht beiwohnen.
Vom Arzt Dr. Goodricke lesen wir die standesamtliche Bescheinigung, wonach Lady Glyde im Alter von 21 Jahren am Donnerstag, den 25. Juli 1850, an einem Herzinfarkt gestorben ist.
Die Leichenwäscherin Jane Gould bestätigt, dass Totenwache, Leichen-Waschung und Einsargung durch sie korrekt und wie üblich besorgt wurden.
Als nächstes blendet Wilkie Collins für uns die Inschrift des Grabsteins im Dorf Limmeridge ein, wo Laura neben ihrer Mutter zur letzten Ruhe gebettet wurde:
„Gewidmet dem Andenken von Laura, Lady Glyde,…“
Seite 486 aus „Die Frau in Weiß“, Wilkie Collins, 763 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Arno Schmidt, erschienen 1965 im Henry Goverts Verlag GmbH, Stuttgart / Veröffentlichung Deutscher Bücherbund.
Und dann kommt eine Zwischennotiz von……. Walter Hartright!
Unser Zeichenlehrer meldet sich aus dem mittelamerikanischen Dschungel zurück. Im Frühsommer war er Richtung England aufgebrochen, sein Schiff kenterte, er konnte gerettet werden. Schon zuvor war sein Leben während der Expedition zweimal bedroht gewesen: erst durch eine Seuche, dann durch feindliche Indianer. Genau so, wie Marian es in Blackwater Park geträumt (gesehen?) hatte.
Walter schreibt, wie sein Abenteuer ihn gestärkt habe, nun blicke er seinem Schicksal ins Auge und laufe ihm nicht mehr davon. Laura Fairlie habe er nicht vergessen, er liebe sie immer noch.
Am 13. Oktober erreicht Hartright London, am nächsten Tag besucht er sogleich seine Mutter und seine Schwester und erfährt, dass Laura gestorben ist.
Er braucht einige Tage, um die Schreckensnachricht zu verwinden, dann reist er nach Limmeridge, um Lauras Grab zu besuchen. Er kniet trauernd und viele Stunden vor dem Grabmal. Die Dämmerung bricht herein, er hört Schritte, hebt den Kopf und sieht zwei verschleierte Frauen auf dem Friedhof stehen. In einer erkennt er Marian, in der anderen – Laura:
„Laura, Lady Glyde, stand neben der Inschrift, und sah mich, über das Grab hinweg, an..“
Seite 492 aus Wilkie Collins, „Die Frau in Weiß“, 763 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Arno Schmidt, erschienen 1965 im Henry Goverts Verlag GmbH, Stuttgart / Veröffentlichung Deutscher Bücherbund
Mit diesem Satz beendet Wilkie Collins den zweiten Zeitraum des Berichtes in „Die Frau in Weiß“. Das nenne ich einen Cliffhanger, den nutze ich doch gleich mit und steige für heute aus.
Erst in Teil 11 am Donnerstag, den 23.04., erfahrt Ihr, wer sich in „Die Frau in Weiß“ als Detektiv betätigt und bisher peinlich genau die Abläufe recherchiert. Es bleibt spannend!
„Die Frau in Weiß“ – mein Lese-Exemplar
Wilkie Collins, „Die Frau in Weiß“, 763 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Arno Schmidt, erschienen 1965 im Henry Goverts Verlag GmbH, Stuttgart / Veröffentlichung Deutscher Bücherbund.
Ich habe ein ähnliches Exemplar von der Büchergilde Gutenberg – gebraucht und günstig – entdeckt:
„Die Frau in Weiß“ – Quellen und Weblinks
- es gibt auch ein Musical nach dem Roman „Woman in White“, Musik von Andrew Lloyd Webber, einige Infos dazu: -> https://de.wikipedia.org/wiki/The_Woman_in_White