Viktorianische Rache (Teil 2.1) – Frauensache

von | 18.02.2021 | Buchvorstellung

Viktorianische Rache – vier Schriftstellerinnen haben sie fiktiv vollzogen: in ihren spannenden, z.T. auch unheimlichen Kurzgeschichten.

Viktorianische Rache (Teil 2.1) – Einführung

Nach einem Blick auf das Leben der viktorianischen Autorinnen -> https://www.meineleselampe.de/viktorianische-rache/ folgt heute die Vorstellung ihrer Kurzgeschichten über viktorianische Rache(feldzüge), die ich in „Das neue große Frauen Lesebuch“ (s.u. Quellen und Weblinks) entdeckt habe.

Louisa May Alcott, Elizabeth Gaskell, Mary E. Braddon und Charlotte Riddell beschreiten verschiedene Wege der Vergeltung und zeigen, dass wie so viele andere Dinge im Leben auch die Rache zwei Seiten hat und niemanden glücklich macht.

Letzteres muss die Heldin in „Paulines Leidenschaft und Strafe“ (OT: Paulines Passion and Punishment“, 1851) von Louisa May Alcott erfahren.

Viktorianische Rache – „Paulines Leidenschaft und Strafe“

Inhalt

Pauline rast vor Zorn. Gilbert, der Mann, den sie über alles liebt und der sie heiraten wollte, hat ihr in einem Brief mitgeteilt, dass er bereits mit einer reichen Erbin verheiratet ist und sein Treue-Versprechen ihr gegenüber nicht einlösen wird.

Nun will Pauline nur noch eins: Gilbert so demütigen und leiden lassen wie sie gedemütigt wurde und gelitten hat. Sie fasst einen perfiden Plan, um sich an Gilbert zu rächen. Dazu braucht sie Geld, Macht und Ansehen. Und das alles hat Manuel, ihr junger und treu ergebener Verehrer. Geschickt schürt sie Manuels Zorn gegen Gilbert und verspricht, ihn zu heiraten, wenn er ihr hilft, Vergeltung zu üben. Manuel, der Pauline mit hündischer Ergebenheit liebt, willigt ein.

Das frischgebackene Ehepaar verliert keine Zeit, um auf seiner Hochzeitsreise Gilbert und seine junge Frau aufzuspüren. In einem Hotel treffen die vier aufeinander. Paulines Vorhaben gelingt. Gilbert ist seiner Frau Barbie längst überdrüssig, da er sie nie geliebt hat und als Ehemann nicht den erhofften Zugriff auf ihr Vermögen erhalten hat.

Erneut erliegt Gilbert Paulines Charme, er will seine reiche Frau verlassen. Doch Pauline weist ihn kalt ab, demütigt ihn und bedient sich Manuels, um Gilbert in Spielschulden zu treiben.

Eine Entwicklung in ihrem Racheplan hat Pauline nicht bedacht, je gnadenloser sie gegen Gilbert vorgeht, desto mehr verliert sie ihre Herrschaft über Manuel:

„In seiner ganzen Jugend, seiner Liebe und Hingabe schauderte Manuel vor dem Geist, der seine Frau so unbeugsam beherrschte und alle großherzigen Impulse erstickte, alle noblen Empfindungen unterdrückte.“

Seite 41 aus „Paulines Leidenschaft und Strafe“, Louisa May Alcott, in „Das neue große Frauen Lesebuch“, Goldmann Verlag 1992 (s.u.),

Manuel schreckt nicht nur vor Paulines Grausamkeit und Besessenheit zurück, er und Gilberts unglückliche Ehefrau Barbie verlieben sich ineinander. Die beiden Paare steuern unaufhaltsam auf eine Katastrophe zu…muss es tatsächlich so enden, wie Pauline es Manuel prophezeit hat: in Kummer, Leid und Schande?

Fazit

Keine der vier Personen in „Paulines Leidenschaft und Strafe“ war mir wirklich sympathisch. Pauline geht zu weit, Manuel handelt unmoralisch aus blinder Liebe, Gilbert erscheint hart und geldgierig und die kindliche Barbie ist ein „typisches Weibchen der viktorianischen Ära“.

Und ich konnte den Ausgang des dramatischen Spielchens in keiner Zeile der insgesamt 53 Seiten vorhersehen und war vom Ende dementsprechend geschockt und verblüfft. Ich fand in der Kurzgeschichte „Paulines Leidenschaft und Strafe“ eine ganz andere Louisa May Alcott, als ich sie von dem Jugendbuch „Die Tantenburg“ her kenne. Respekt vor so viel Wandlungsfähigkeit.

„Paulines Leidenschaft und Strafe“ (der Originaltitel „Paulines Passion and Punishment“ ist durch die Alliteration irgendwie eingängiger als die deutsche Übersetzung) ist modern, leicht und flüssig geschrieben. Louisa May Alcott beschreibt die Natur genussvoll und in wunderschönen Bildern, ich fühlte mich beim Lesen quasi „vor Ort“.

Eine außergewöhnliche, eine spannende und kompakte Kurzgeschichte, die ich Euch wärmstens ans Herz legen möchte.

Witzig: irgendwie dachte ich die ganze Zeit beim Lesen, „Paulines Leidenschaft und Strafe“ wäre der Stoff für eine Alfred Hitchcock-Verfilmung (gewesen, er weilt ja leider nicht mehr unter uns).

Viktorianische Rache

Viktorianische Rache – verübt durch die spitzen Federn kluger Frauen

(Bild links: Clker-Free-Vector-Images/Pixabay)

Viktorianische Rache – „Der Fluch der Griffiths“

Inhalt

Owen Glendwr, der walisische Nationalheld (Anmerkung von mir: Glendwr, ca. 1350-1416, war der letzte Waliser, der den Titel „Fürst von Wales“ inne hatte, um 1400 lehnte er sich gegen die englische Herrschaft in seinem Land auf) war nicht nur ein mutiger Kämpfer für die walisische Sache. Nein, er besaß auch Zauberkräfte und die bekam sein Vetter Rhys ap Gryfydd zu spüren, nachdem er sich an einem Mordkomplott gegen den Fürsten beteiligt hatte. Owen Glenwr ließ Rhys am zwar Leben, verfluchte aber dessen Geschlecht:

„Wenn neun Generationen über das Antlitz der Erde gegangen sind, dann soll kein Tropfen deines Blutes mehr in den Adern der Menschen rollen. Dann soll der letzte Spross deines Stammes meine Rache vollziehen. Dann wird der Sohn den Vater töten.“

Seite 100-101 aus „Der Fluch der Griffiths“, Elizabeth Gaskell in „Das neue große Frauen Lesebuch“, Goldmann Verlag 1992 (s.u.),

Der Fluch sollte sich erfüllen, die Nachkommen Gryfydds, die Griffith, blieben trotz allen Fleißes arm und vom Unglück verfolgt. In der achten Generation heiratete ein Owen Griffith dann eine vermögende Frau und ließ sich als Squire auf deren Familiensitz Bodowen nieder. Von den beiden Söhnen des Paares starb der erstgeborene nach einem Trinkgelage, daher erbte sein jüngerer Bruder Robert Besitz und Titel. Soweit die Vorgeschichte.

Robert heiratet eine sanfte Frau, das Paar bekommt eine kleine Tochter, erst nach vielen Jahren wird ihnen ein Sohn, Owen, geboren. Die Mutter stirbt bei der Geburt, Vater und Sohn sind von da an unzertrennlich.

Eines Tages erzählt Robert seinem Sohn vom Fluch Owen Glendwrs, der das Kind tief beeindruckt und ängstigt. Auch Robert sorgt sich insgeheim, dass – nunmehr in der neunten Generation – sein Sohn jener letzte Spross sein könnte, der den Vater töten wird.

Owen wächst heran, erhält, wie damals in besseren Kreisen üblich, seine Schulbildung auf einem Internat. Eines Tages erreicht ihn per Brief die Nachricht, dass sein Vater wieder geheiratet hat.

Seine Stiefmutter, eine schöne Witwe, ist zunächst sehr nett zu Owen, doch bald bemerkt er, dass hinter ihrer Freundlichkeit berechnende Kälte lauert. Ihr kleiner Sohn Robert aus erster Ehe birgt mit seinen drei Jahren schon die Anlagen zu einem boshaften Menschen in sich.

Der Vater wendet sich von Owen ab, teils auch wegen seines schlechten Gewissens dem einst vergötterten und jetzt vernachlässigten Sohn gegenüber.

So wundert es nicht, dass Owen, von Eifersucht geplagt, immer öfter das Haus verlässt, die Gegend durchstreift und seinen düsteren Gedanken nachhängt. Eines Tages lernt er den Pächter Ellis Pritchard und dessen Tochter Nest kennen. Nest ist ein reizendes Mädchen, hat aber einen schlechten Ruf in der Umgebung, nur weil sie selbstbewusst auftritt und gern kokettiert.

Owen besucht Vater und Tochter oft, bei ihnen in Ty Glas ist er immer herzlich willkommen. Owen und Nest verlieben sich ineinander und heiraten heimlich mit Unterstützung Ellis Pritchards. Owens Familie soll vorerst nichts von der Heirat erfahren. Nach nicht ganz einem Jahr bringt Nest einen Sohn zur Welt und das Glück der kleinen Familie scheint vollkommen.

Wie heißt es so schön: doch das Unglück schreitet schnell. Owens Vater wurde mittlerweile von seiner Ehefrau zugetragen, sein Sohn habe dem allgemeinen Tratsch zufolge eine liederliche Frau geheiratet.

Und tatsächlich, in Ellis Pritchards Hütte findet er das junge Paar vor und die Gerüchte bestätigt. Owens Vater gerät in Rage und schleudert das Baby so unglücklich von sich, dass es zu Boden stürzt. Ohne zu merken, dass das Kind tot ist, verläßt der Squire wutentbrannt die Hütte.

Der verzweifelte Owen widersteht dem Drang, den Vater zur Rede zu stellen, zu groß ist seine Angst, der Fluch könne sich erfüllen und er den Vater töten. Er beschließt, heimlich sein Bargeld aus seinem Vaterhaus zu holen und dann mit Nest das Land zu verlassen.

Doch sein boshafter Stiefbruder bemerkt ihn und reizt Owen so sehr, dass er den Jungen schlägt. Dessen Geschrei lockt den Squire und seine Frau herbei und sie sperren Owen bis zur Klärung des Vorfalls kurzerhand ein.

Owen kann jedoch mühelos aus dem Zimmer entkommen, über das Dach gelingt ihm die Flucht. Doch als er an der Klippe am Ende des Parks von Bodowen sein vertäutes Segelboot losmachen will, packt ihn jemand von hinten an der Schulter – sein Vater. Es kommt zur Konfrontation, die Owen vermeiden wollte…

Fazit

„Der Fluch der Griffiths“ (OT: „The Doom of the Griffiths“, 1858) – spannend und düster erzählt wie eine alte walisische Sage. Der Fluch, der auf den Griffiths liegt, scheint übermächtig – die Beteiligten können sich aus seinem Bann nicht lösen.

Sind tatsächlich übernatürliche Kräfte am Werk oder hat sich nach der Verdammnis durch den walisischen Fürsten eine verzerrte Wahrnehmung bei den Griffiths entwickelt? Letzteres liegt nahe, denn Elizabeth Gaskell zeichnet die Griffith-Männer nicht als untadelige Charaktere. Scham, Sprachlosigkeit, Eifersucht, unkontrollierte Wut spielen eine tragende Rolle in dem Konflikt zwischen dem Squire und seinem Sohn. Oh, Ihr müsst „Der Fluch der Griffiths“ unbedingt lesen.

Das Leben der Griffiths jedenfalls wirkt bedrückend – sogar die kurzen Momenten des Glücks lässt Elizabeth Gaskell von einem Hauch des Grauens umwehen. Ich konnte mich beim Lesen nie wirklich aus der unheilschwangeren Grundstimmung der Kurzgeschichte befreien.

Eine perfekte gothic novel der viktorianischen Epoche, mit einem kleinen Seitenhieb auf das viktorianisch-prüde Frauenbild. Ein unbescholtenes Mädchen wie Nest, das gern flirtet, frei und ungezwungen auftritt, gerät unweigerlich ins Visier braver und sittsamer Geschlechtsgenossinen und wird von ihnen diffamiert.

Wie Louisa May Alcott in „Paulines Leidenschaft und Strafe“ zeigt Elizabeth Gaskell in „Der Fluch der Griffiths“ zumindest für mich eine ganz neue Seite, die zu entdecken sich lohnte.

Viktorianische Rache (Teil 2.1) – wird fortgesetzt

Jetzt sollten an dieser Stelle „Samuel Lowgoods Rache“ von Mary Elizabeth Braddon und „Nemesis an der Themse“ von Charlotte Riddell folgen, doch ich denke, das ist erst einmal genug Stoff für einen Abend. Vertagen wir uns samt Geschichte drei und vier lieber auf kommenden Dienstag.

Viktorianische Rache

Viktorianische Rache ersonnen von viktorianischen Schriftstellerinnen und gefunden in „Das neue große Frauen Lesebuch“ (1992) geht auf Meine Leselampe weiter mit Teil 2.2 – wir lesen uns!!

(Bild rechts: Clker-Free-Vector-Images/pixabay)

Viktorianische Rache – Quellen und Weblinks

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