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„Mrs. Lirripers Fremdenpension“ – Einleitung
„Mrs. Lirripers Lodging“, so der Originaltitel, veröffentlichte Charles Dickens zum Weihnachtsfest 1863 in einer Zeitschrift. Das war künstlerisch zunächst verpönt, dann wurde es aber eine beliebte Methode, Literatur vielen Menschen zugänglich zu machen, auch den weniger Betuchten.
Zwei Kapitel hat die kleine Weihnachtserzählung um eine Pensionswirtin aus der Norfolk Street Nummer 81 in London.
(Bild links: Emmie Norfolk/Pixabay)
Es gibt eine weitere Geschichte über sie: „Mrs. Lirripers Vermächtnis“, dazu mehr in der kommenden Woche auf Meine Leselampe.
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Eine ehrbare viktorianische Geschäftsfrau
Die Erzählerin und Heldin der Geschichte ist Mrs. Lirriper, eine tugendhafte und anständige Witwe. Sie berichtet einer Bekannten (die uns nicht näher beschrieben wird) über ihr Leben. Recht früh nach der Eheschließung verunglückt ihr Gatte – ein Vertreter, der dem Trunke wohl sehr zugetan war – tödlich. Nun vermietet sie Zimmer, um alle seine Schulden an die Gläubiger zurück zu zahlen. Das tut sie freiwillig, nach damaligem Recht müsste sie es nicht.
Mrs. Lirriper weiss viel zu erzählen: wie enervierend Steuerzahltermine doch sind, wie überaus erstaunlich sich manche Dienstmädchen benehmen, wie verdrießlich konkurrierende Vermieterinnen sind und wie betrüblich diebische Klientel ist. Das alles geschieht in gutmütigem Ton, keine Lästerei fließt aus ihrer Feder.
In den ersten Stock zieht ein etwas kauziger, reiferer Herr ein: „Major“ Jemmy Jackman, für Mrs. Lirriper bald ein unverzichtbarer Freund und Berater. Manchmal wird er allerdings recht jähzornig und erregt sich heftig, doch diese Ausbrüche legen sich rasch, er zeigt sich reuig und zahm.
Über einen tragischen Vorfall muss Mrs. Lirriper leider doch berichten. Ein junges Ehepaar, Mr. und Mrs. Edson, mietet sich bei ihr ein. Man verkehrt nett miteinander, alles ist harmonisch. Nach einigen Monaten verschwindet der Mann sang- und klanglos und lässt die junge Frau schwanger, verzweifelt und hilflos zurück. Mrs. Lirriper und der Major kümmern sich liebevoll um sie. Bei der Geburt ihres Sohnes stirbt Mrs. Edson und der kleine Jemmy wächst fortan in der Pension auf, geliebt und umhätschelt von Mrs. Lirriper und dem Major, als wäre er ihr eigen Fleisch und Blut.
Die tragischen Umstände seiner Geburt verschweigen sie dem Jungen, er glaubt, Mrs. Lirriper sei seine leibliche Großmutter. Der „Major“ fungiert als stolzer Pate und teilweiser Namensgeber.
Ein ehrbarer viktorianischer „Major“
Das zweite, sehr kurze Kapitel von „Mrs. Lirripers Fremdenpension“ erzählt zur Abwechslung Jemmy Jackmann senior. Mrs. Lirriper hat den „Major“ auf die Idee gebracht, für den kleinen Jemmy Geschichten über die Mieter des Hauses zu schreiben. So will sie ihn aus der gedrückten Stimmung holen, die ihn befallen hat, als der Jemmy junior auf ein Internat geschickt wurde. Der Junge erhält dort eine ausgezeichnete Bildung. Der „Major“ sieht das ja ein, aber vermisst ihn und die gemeinsamen Spiele sehr.
Die Schreiberei holt ihn aus seinem Tief und er wird wieder munter. Die Mieter-Geschichten bekommen wir nicht zu lesen, sie werden, im Schrank verschlossen, für Jemmy aufbewahrt. Für uns verfasst der „Major“ in diesem Kapitel einen kleinen, frei erfundenen Bericht über ein gemütliches Weihnachtsfest zu dritt. Der kleine Jemmy Jackmann Lirriper und seine Tugenden stehen natürlich im Mittelpunkt.
Tja und als es so richtig weihnachtlich und lustig zugeht, müssen wir die Norfolk Street 81 verlassen. Schade – das dachten damals sicher viele Leser. Und so lieferte Charles Dickens 1864, ein Jahr später, eine weitere Lirriper-Geschichte. Dazu mehr am nächsten Donnerstag…
Mein Fazit
Unbedingt lesen! Geschichten wie diese nehmen den Stress aus dem Alltag und dem eigenen Gemüt. Sie vermitteln unaufdringlich, wie menschliches Miteinander aussehen kann, egal in welchem Jahrhundert.
Dickens‘ Bilder viktorianischer Gemütlichkeit (er konnte ganz anders, oh, ja, aber in „Mrs. Lirripers Fremdenpension“ klagt er keine sozialen Missstände an) ließen mich beim Lesen rundum abschalten. Kuschelige Lektüre für ungemütliches Wetter.
Mein Lese-Exemplar
Charles Dickens, „Weihnachtserzählungen“, daraus „Mrs. Lirripers Fremdenpension“, 47 Seiten, bearbeitet, übersetzt und herausgegeben von D. P. Johnson, (überarbeitete Gesamtausgabe unter Verwendung der Übertragungen von Karl Kolb und Julius Seybt), mit Illustrationen der Erstausgabe, Magnus Verlag Essen (kein Erscheinungsdatum)
Das Buch stand wie die „Weihnachtsmärchen“ ganz hinten im Bücherschrank, sprich: ist schon älteren Datums, soll hier aber nochmal entstaubt und gewürdigt werden. Mängel: es fehlen immer mal wieder ein, zwei Buchstaben im Wort oder stehen an der falschen Stelle, das geht aber nicht auf Kosten der Verständlichkeit. Also, was soll’s…
Wer den Beitrag meiner Weihnachtsreihe in der vergangenen Woche verpasst hat, kann hier noch einmal schauen -> https://www.meineleselampe.de/der-verwuenschte/. Da ging es wesentlich gruseliger zur Sache!!
Und noch ein Buchtipp, da es gar nicht so leicht ist, eine deutsche Ausgabe aller Dickens’schen Weihnachtserzählungen zu ergattern: Charles Dickens, „Alle Weihnachtserzählungen“, aus dem Englischen von Margit Meyer, 608 Seiten, erschienen 2016 im Aufbau Verlag, Berlin.