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Oscar Wilde: „Erzählungen und Märchen
Erzählungen und Märchen vom großen viktorianischen Spötter, Skandalautor und Lebemann Oscar Wilde – wie müssen wir sie uns vorstellen? Nun, als die schönsten Kunstmärchen der Weltliteratur und daher möchte ich Euch eine Sammlung dieser Werke vorstellen.
Wilde schrieb die Märchen für seine zwei Söhne Cyril und Vyvyan, 1888 wurden sie veröffentlicht.
Oscar Wilde: „Erzählungen und Märchen“ – eine Einleitung
Funkelnde Sterne, blauer Himmel, schäumendes Meer, blühende Blumen, rauschende Bäume, saftig grünes Gras, zwitschernde Vögel, glitzernde Edelsteine….Oscar Wilde, der skandalträchtige Lebemann und amüsante Spötter zeichnet seine Märchenlandschaften in allen Farb- und sogar Klangfacetten gemäß seinem Credo: Kunst um der Kunst willen.
Wir spüren förmlich beim Lesen, wie weich das Gras ist, dass Dornen und Disteln stechen, ob der Wind sanft weht oder heftig bläst, wie kalt sich der Frost an fühlt. Wir riechen den Duft der Blumen, wir hören sprechende Tiere und die Musik der Tänzer, kurz: Oscar Wildes Wälder, Gärten und Schlösser sind verzauberte Welten, die die perfekte Kulisse für sein märchenhaftes Geschehen bilden (sofern wir uns darauf einlassen und nicht, wie es jetzt angesagt ist, über reichlich verwendete Adjektive und Adverbien die Nase rümpfen).
Oscar Wilde „Erzählungen und Märchen“ – zum Inhalt
Märchen ohne erhobenen Zeigefinger
Häufig verweigert Oscar Wilde in seinen „Erzählungen und Märchen“ die vertraute Moral oder das Happy End, die den Leser am Ende aufatmen lassen.
Er verlässt die Pfade des Märchens, in denen das Gute über das Böse siegt und die Zuhörer lernen, wie brave und fromme Untertanen zu funktionieren haben.
(Bild links: DarkmoonArt/Pixabay)
So bleibt das Opfer des eigenen Lebens um einen anderen glücklich zu machen, sinnlos und wird von niemandem gewürdigt wie in „Die Nachtigall und die Rose„. In „Der ergebene Freund“ wird Freundschaft ad absurdum geführt, gerade der „ergebene“ Freund nutzt egoistisch den wirklich Gutmütigen und leider auch Schwächeren bis zu dessen Tod aus und wird dafür nicht bestraft.
„Der Geburtstag der Infantin“ findet am spanischen Hofe statt – inmitten des üblichen intriganten und prunkvollen Machtspiels. Die hübsche zwölfjährige Prinzessin ist ganz Kind ihrer Zeit, bei ihr stehen oberflächliche Vergnügungen und Reichtum über wahren Gefühlen. Ein missgestalteter Zwerg, der auf ihren Geburtstagsfeierlichkeiten für sie tanzt, deutet ihr Amusement über sein groteskes Äußeres und seine Aufführung falsch. Er glaubt, sie liebe ihn. Als er sich auf der Suche nach ihr in einem Spiegel sieht und seine Hässlichkeit erkennt, bricht ihm das Herz, er stirbt. Für die Infantin nur ein lästiger Vorfall im Vorbeigehen.
Dagegen überrascht „Der egoistische Riese“ mit einer moralischen Wandlung von Egoismus zu Nächstenliebe (geteilte Freude ist doppelte Freude) und der irdischen und himmlischen Belohnung für gute Taten, ganz so, wie wir und die Viktorianer es von (Kunst-)Märchen gewohnt sind und waren. Auch „Der junge König“ wird für seine Einsicht und seinen Verzicht auf Reichtümer und Prunk auf Kosten anderer von Gott erhöht. Sowohl reiche wie arme Mitmenschen begreifen sein Tun hingegen nicht. Man weiß also nie, wie ein Wilde-Märchen ausgeht. Eins haben alle gemeinsam: sie sind wunderschön und bildhaft geschrieben, sie sind Kunst.
Erzählungen über die feine Welt
In den Erzählungen „Lord Arthur Saviles Tat“ oder „Der vorbildliche Millionär“ zeigt Wilde seine elegante, witzige, manchmal dann doch auch wieder zynische Seite. Selbst ein berühmter Dandy und Bonvivant lässt er das Treiben und die Gesprächsthemen der illustren Gesellschaft für uns auferstehen und zeigt deren Einfalt, Egoismus und Oberflächlichkeit, würdigt dabei aber auch echte Gefühle.
Mit seiner heiteren Schauergeschichte, dem Klassiker „Das Gespenst von Canterville“, verdreht Wilde einmal mehr die gewohnte Betrachtungsweise des Lesers: eine (zu seiner Zeit) moderne amerikanische Familie rückt einem Jahrhunderte alten englischen Gespenst zu Leibe und wir leiden mit der gebeutelten Spukgestalt statt uns zu gruseln. Und dass, obwohl der Geist zu Lebzeiten einen Mord begangen und durch seine schaurig-schönen Auftritte mehrere Menschenleben auf dem Gewissen hat.
Oscar Wilde: „Erzählungen und Märchen“ – mein Fazit
Spritzige, elegante und leichte Erzählungen, poetische, manchmal mystische und schwermütige Märchen, Verzicht auf politische oder moralische Belehrungen, Oscar Wildes „Erzählungen und Märchen“ sind vielfältig, abwechslungsreich.
Kurzum: ein Bilderbuch, das ohne Abbildungen auskommt, weil es die Phantasie außerordentlich anregt und belebt.
(Bild rechts: mysticsartdesign/Pixabay)
Oscar Wilde: „Erzählungen und Märchen“ – mein Lese-Exemplar
Oscar Wilde, „Erzählungen und Märchen“, 330 Seiten, übersetzt von Irma Wehrli, mit einem Nachwort von Manfred Pfister, erscheinen 1997 im Manesse Verlag Zürich.
Ich habe die wunderschön aufgemachte Ausgabe aus der Reihe „Manesse Bibliothek der Weltliteratur“ zwar auf dem Flohmarkt gefunden, im Online-Buchhandel findet man jedoch viele verschiedene Ausgaben in allen Preisklassen…
oder
Wer mehr über Oscar Wilde und sein glanzvolles und tragisches Leben lesen möchte, es gibt sehr ausführliche Biographien, zum Beispiel von Richard Ellmann oder Barbara Belford. Etwas kürzer und kompakter ist die Wilde-Biographie von Peter Funk in der rororo-Bildmonographien-Reihe.
Interessant auch die Sammlung über die besten Bonmots Wildes: „Denken mit Oscar Wilde“, Aphorismen, 128 Seiten, gesammelt und herausgegeben von Wolfgang Kraus, übersetzt von Candida Kraus, erschienen 2009 im Diogenes Verlag.
Ocsar Wilde: „Erzählungen und Märchen“ – Quellen und Weblinks
- über Oscar Wildes Leben: -> https://de.wikipedia.org/wiki/Oscar_Wilde