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Afternoon Tea – Begrüßung
Willkommen am Sonntagnachmittag auf Meine Leselampe. Ich freue mich, dass Ihr so zahlreich erschienen seid und hoffe, Ihr habt eine entspannte Zeit.
Ich würde ja gern schreiben: »eine entspannte Stunde«, aber so lange braucht Ihr nicht, um diesen Beitrag zu lesen.
(Bild links: Vinson Tan/Pixabay)
Wann haben wir uns zum letzten Mal zum Viktorianischen Sonntag getroffen? Oh, ich sehe gerade, das ist schon ein Weilchen her. Es war am Sonntag, den 15. Mai 2022 -> https://www.meineleselampe.de/england-fuer-anfaenger/. »England für Anfänger«, richtig, auch da ging es um Tee – aus der Sicht des in England heimisch gewordenen Ungarn George Mikes. Er mokierte sich in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts (lang her, an den Fakten hat sich aber nichts geändert) über die endlose Zahl der Tassen Tee, die nach dem unsäglich (als das empfand es Georges zumindest) frühen Fünf-Uhr-Morgens-Gebräu im Laufe des Tages zu trinken seien:
„Den nächsten Tee gibt es zum Frühstück, dann kommt um elf Uhr vormittags wieder einer und ein weiterer nach dem Mittagessen. Ferner gibt es Tee zum Tee, nach dem Abendbrot und schließlich um elf Uhr abends.“
Mikes, George, „England für Anfänger“, Zürich, 1964, Seite 24.
Und das fett gedruckte Tee zum Tee im Zitat bezeichnet den »Afternoon Tea«, um den es heute auf Meine Leselampe geht.
Afternoon Tea – Geschichte des »Afternoon Teas«
Die Sitte des »Afternoon Teas» stammt – wie könnte es anders sein – aus dem viktorianischen Zeitalter und wurde von einer Hofdame und engen Freundin von Queen Victoria begründet: Anna Maria Russell, 7. Herzogin von Bedford (1783-1857) [1]. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts weilte sie zu Besuch beim Herzog von Rutland auf Schloss Belvoir [2]. Damals lagen viele Stunden zwischen dem Luncheon am späten Vormittag und dem Dinner am Abend, das frühestens um 20 Uhr serviert wurde.
Wen wundert es, dass die Herzogin eines Nachmittags ein Hungergefühl überkam, es soll ihr sogar ein wenig schwindelig geworden sein.
Daher ließ sie sich Tee, geröstetes Brot mit Butter und vermutlich etwas Gebäck aufs Zimmer bringen.
(Bild rechts: naobim/Pixabay)
Dieser Snack tat ihr so wohl, dass sie an einem der nächsten Nachmittage Freunde zu einer kleinen Teestunde mit Imbiss in ihre Gemächer einlud. Die Gäste der Herzogin von Bedford waren begeistert und begannen, ebenfalls Bekannte zum nachmittäglichen Tee zu bitten – der »Afternoon Tea« war geboren [3]. Da Tee und Snacks auf kleinen, niedrigen Tischchen neben Sesseln und Sofas platziert wurden, sprach und spricht man auch vom »Low Tea« in Abgrenzung zum abendlichen »High Tea« der hart arbeitenden Schicht, der an normalen Esstischen und Stühlen eingenommen wurde und wird.
Es dauerte nicht lang, da galt es unter den Damen der gehobenen Schicht als schick, einmal in der Woche Freundinnen zum »Afternoon Tea« einzuladen und an anderen Nachmittagen selbst zum Tee gebeten zu werden. Hatten sie doch die müßigen Stunden eines langen Tages auszufüllen. Natürlich putzten die Ladies sich zu diesem kleinen Event fein heraus. Sehen und gesehen werden, sage ich nur! Gewerbe und Handel erkannten ihre Chancen und produzierten feine Tischwäsche, Silberzeug und kostbare Teeservices speziell für diesen Anlass.
Als 1854 die Teesteuer erneut gesenkt wurde (1783 war sie das erste Mal herabgesetzt worden), konnten auch die Damen der Mittelschicht »Afternoon-Tea-Parties« veranstalten, statt sich auf Tee zum Frühstück und Abendbrot zu beschränken.
Der zu Zeiten der Herzogin von Bedford recht bescheidene Imbiss wurde mit den Jahren immer aufwändiger und besteht heute aus Sandwiches (die auch ein Engländer erfunden hat [4]), gern mit Gurkenscheiben, Ei oder Lachs (es geht aber auch alles andere) belegt.
Dann folgen Scones mit Clotted Cream [5] und Marmelade…
(Bild links: Zul Vent/Pixabay)
… und zum Abschluss kleine Törtchen und Kuchen. Mmmmh!
Beliebte Varianten des »Afternoon Teas« sind der »Cream Tea«, zu dem nur Scones mit Clotted Cream und Marmelade gereicht werden sowie der »Royalty Tea«, aufgeschwipst mit einem Glas Champagner oder Sherry [6].
An dieser Stelle darf ich mich verabschieden und Euch einen entspannten Nachmittag beim »Low Tee« (oder Kaffee) auf der Couch, kleinen Leckereien auf dem Beistelltisch und einem Buch in den Händen wünschen. Ich habe noch etwas Musik ausgesucht, damit Ihr in die rechte Stimmung kommt: »Tea for Two«, eine Aufnahme aus dem Jahre 1939 vom legendären Art Tatum -> https://www.youtube.com/watch?v=kACt0FM0Kf8
Ich schau‘ mal, ob ich irgendwo ein Törtchen auftreiben kann, dieser Beitrag hat mich hungrig gemacht…
Afternoon Tea – Quellen und Weblinks
- [1] Über die Mutter der Teestunde -> https://de.wikibrief.org/wiki/Duchess_of_Bedford
- [2] Hier könnt Ihr einen Blick auf Schloss Belvoir werfen -> https://de.wikipedia.org/wiki/Duke_of_Rutland
- [3] Weitere Fakten zur Historie des »Afternoon Teas« -> https://hightea.com/the-history-of-afternoon-tea
- [4] John Montagu, 4. Earl of Sandwich und sein belegtes Brot -> https://www.welt.de/print/wams/vermischtes/article13530619/Ein-Earl-und-zwei-Scheiben-Brot.html oder -> https://de.wikipedia.org/wiki/John_Montagu,_4._Earl_of_Sandwich
- [5] Was ist Clotted Cream? -> https://de.wikipedia.org/wiki/Clotted_Cream, Rezept gefällig? -> https://tea-and-scones.de/scones-backen-mit-rezept/
- [6] Die verschiedenen Tee-Zeiten -> https://magazin.the-british-shop.de/themen/teatime
Afternoon Tea – Buchtipps (Werbung)
Torrent, Will, »Afternoon Tea At Home«, UT: Deliciously indulgent recipes for sandwiches, savouries, scones, cakes and other fancies, gebundene Ausgabe, englisch, 176 Seiten, by Ryland Peters, 2021.
Historic Royal Palaces Enterprises Limited, »Tea Fit for a Queen: Recipes and Drinks for Afternoon Tea«, gebundene Ausgabe, englisch, 121 Seiten, by Ebury Press, London, 2014.
Mason, Laura und National Trust Books, »The National Trust Book of Afternoon Tea«, gebundene Ausgabe, englisch, 160 Seiten, by National Trust Books, 2018.
Für Fans der Downton-Abbey-Serie noch ein Extra-Tipp: »Das offizielle Buch. Downton Abbey Teatime: 60 Rezepte zum Afternoon Tea«, gebundene Ausgabe, deutsch, 144 Seiten, Dorling Kindersley Verlag, London, 2020.