„Agnes Grey“ – kurze Einleitung

„Agnes Grey“ – lautet der Titel eines der beiden einzigen Romane der Anne Brontë! Sie war eine der drei – heute weltbekannten – Brontë-Schwestern. 1820 wurde Anne als Tochter des anglikanischen Pfarrers Patrick Brontë geboren. Die Mutter starb früh, worunter die Geschwister Brontë wohl sehr gelitten hatten.

In ihrem kurzen Leben – sie starb bereits mit 29 Jahren – veröffentlichte sie zwei Romane: „Agnes Grey“ und „Die Herrin von Wildfell Hall“. In beiden Werken verarbeitete sie ihre eigenen frustrierenden Erlebnisse als Gouvernante.

„Agnes Grey“ erschien 1847, im gleichen Jahr brachten ihre Schwestern Charlotte und Emily auch jeweils einen Roman heraus.

Blättern wir doch ein wenig in „Agnes Grey“…

„Agnes Grey“ – zur Handlung

Die Titelheldin und Ich-Erzählerin Agnes Grey weist, wie in der Einleitung erwähnt, Ähnlichkeit mit Anne Brontë auf. Auch sie ist Pfarrerstochter. Allerdings wächst Agnes behütet in ländlicher Umgebung auf – mit liebevollen und gebildeten Eltern und einer älteren Schwester, Mary.

Agnes Vater steckt sein Erbe in ein Handelsprojekt mit einem Kaufmann, um seiner Frau (die aus sehr gutem Hause stammt) und seinen Töchtern ein angenehmes Leben zu bieten. Nun, das Schiff des Kaufmanns geht unter und das Geld ist weg. Nun muss die Pfarrersfamilie an allen Ecken und Enden sparen. Den Frauen macht das nichts aus, sie sind fleißig und einfallsreich und sehen die Lage keineswegs als verzweifelt an. Der Vater leidet unter dem Misserfolg, er wird schwermütig und kränkelt.

Da fasst Agnes den Entschluss, als Gouvernante zu arbeiten und mit dem Lohn ihre Lieben zu unterstützen. Den Eltern und der Schwester ist das gar nicht recht, aber Agnes setzt sich durch. Durch die Vermittlung einer Tante erhält sie eine Anstellung bei der reichen Kaufmannsfamilie Bloomfield – die Chance erweist sich für Agnes als die Büchse der Pandora.

Agnes Grey

Statt Abenteuer und Selbstständigkeit erwartet Agnes Grey ein Leben voller Demütigungen.

(Bild rechts: LwcyD/Pixabay)

Ihre Dienstherrin Mrs. Bloomfield ist kalt und abweisend, Mr. Bloomfield ein egoistischer, brutaler und gewöhnlicher Mann (ein „Proll“ reinsten Wassers). Die Kinder Tom, Mary Ann und Fanny würde ich als schwer erziehbar und grausam bezeichnen. Agnes Grey hat als Gouvernante keinen Rückhalt bei den Bloomfields, darf die Kinder nicht einmal kritisieren und kann erzieherisch nur wenig bewirken. Nach acht Monaten trennen die Bloomfields sich von ihr.

Agnes Grey kehrt für ein paar Monate in ihr Elternhaus zurück, erholt sich und wagt einen weiteren Versuch, als Gouvernante zu arbeiten.

Diesmal hofft sie, es besser zu treffen, zählt die Familie Murray in Horton Lodge doch zu den Großgrundbesitzern. Daher sollte sie vornehmer und gebildeter sein als eine zu Reichtum gekommene Kaufmannsfamilie und wird eine Gouvernante sicher besser behandeln.

Doch auch hier wird Agnes Grey von oben herab behandelt, sogar vom Personal. Adelige Bekannte der Familie nehmen die Gouvernante gar nicht wahr. Ihre Zöglinge sind nicht so schlimm wie die der Bloomfields, aber es ist auch keine Freude, mit ihnen zu arbeiten. Rosalie, die Älteste, ist selbstverliebt, arrogant und eitel. Matilda präsentiert sich schlecht erzogen und benimmt sich wie ein Stallknecht. John tritt wild und ungebildet auf, scheint aber im Kern gutherzig zu sein und Charles ist ängstlich, feige und verlogen.

Hier auf Horton Lodge verbringt Agnes zwei nicht besonders glückliche Jahre. Es ist das damalige harte Los einer Gouvernante, einer gebildeten Frau, die in der Hierarchie zwischen dem Personal und der Herrschaft steht, aber zu keiner Seite gehört und von keiner Seite als dazugehörig betrachtet wird. Eine Art Unperson….

Das Blatt wendet sich für Agnes Grey, als sie den Hilfsgeistlichen Edward Weston kennen lernt und in ihm einen moralisch und geistig ebenbürtigen Gesprächspartner findet. Na ja, ein bisschen mehr empfindet Agnes schon für Mr. Weston, aber fühlt er auch etwas für sie?

Für derlei Gedanken bleibt nicht viel Zeit, von zu Hause erreicht Agnes die Nachricht, dass ihr Vater im Sterben liegt. Sie reist heim, kommt aber zu spät, der Vater ist tot. Nun müssen die Frauen ihr Leben neu gestalten. Mary ist in festen (Pfarrers-)Händen, Agnes und ihre Mutter eröffnen zusammen eine Schule. Eines Tages kommt es zu einem überraschenden Wiedersehen mit Edward Weston – ob diesmal mehr daraus wird?

„Agnes Grey“ – mein Fazit

„Agnes Grey“ – ein wahrlich tugendhafter Frauen-Roman!! Und ein realistisches Bild des Lebens als Gouvernante. Und ein Plädoyer für starke und unbeirrbare Frauen.

Agnes Grey

Und ein liebenswertes Portät der viktorianischen Zeit, ihres biederen und moralischen Aspektes. Und die Schilderung ihrer Auswüchse und Schattenseiten…

(Bild links: LwcyD/Pixabay)

Anne Brontë stellt die oberen Gesellschaftsschichten als eitel, oberflächlich, herz- und zügellos dar. Grundpfeiler für ein anständiges und somit erfülltes Leben sind (für die fiktive und für die wirkliche Pfarrerstochter) ein gebildeter Verstand, liebevolle Anteilnahme, Selbstlosigkeit sowie eine tiefe Religiosität. Und wer gut, duldsam, ehrlich und standhaft ist, wird am Ende belohnt!!!!! Das galt für die Autorin im wahren Leben leider nicht.

Der viktorianische Roman „Agnes Grey“ wirkt auf den ersten Blick nicht zeitgemäß, aber träumen nicht manche von uns, auch so eine unerschütterlich gute Heldin zu sein, alles Böse überwindend? Und gegen innere Festigkeit, moralische Grundsätze und Bildung (!!!!) spricht auch (gerade) heute nichts.

Auf jeden Fall halte ich es für ein gemütlich zu lesendes und romantisches Buch, ein Ausflug in eine andere Zeit.

„Agnes Grey“ – mein Lese-Exemplar

Anne Brontë, „Agnes Grey“, Roman, 276 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Elisabeth von Arx, erschienen 1988 im Insel Verlag Frankfurt am Main (meine Ausgabe ist schon etwas älter, es gibt eine neuere „Agnes Grey“-Ausgabe vom dtv-Verlag in der Übersetzung von Michaela Meßner, 320 Seiten, erschienen 2012).

Auf Meine Leselampe geht es bald weiter mit den Brontës -> https://www.meineleselampe.de/emily-bronte-biographie/.

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