„Das Buch der Snobs“ – eine Einführung

„Das Buch der Snobs“ oder das “ Snobsbuch“ – unter beiden Titeln findet man das Werk des viktorianischen Autors William Makepeace Thackeray.

Ich habe zwei Ausgaben gelesen: „Das Buch der Snobs“, ein sogenanntes „book on demand“ von 2016 sowie „Das Snobsbuch“, vermutlich 1896 erschienen (zumindest vor 1901, denn der frühere Besitzer hat zusammen mit seinem Namen das Datum 3. 4. 1901 auf die Vorderseite geschrieben).

Das antiquarische Buch enthält zudem „Die vier George“, die Betrachtungen Thackerays über die Dynastie des Hauses Hannover auf dem Thron von Großbritannien und Irland. Beide Bücher passen perfekt zusammen!!! Mehr zu „Die vier George“ findet Ihr hier -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/die-vier-george/.

Das Buch der Snobs„- zum Inhalt

Die Snobs unter seinen Mitbürgern zu erkennen und zu karikieren – das muss W. M. Thackeray wahrlich fasziniert haben. Schon als junger Student veröffentlichte er zu diesem Thema einige wöchentliche Schriften, die Serie schlief nach wenigen Monaten ein.

Fast 20 Jahre später schrieb Thackeray eine Artikelserie über Snobs im politischen Satire-Magazin „Punch“. 1848 erschienen die Beiträge zusammengefasst im „The Book of Snobs“.

Was ist ein Snob? Nun, laut Wörterbuch ein vornehm tuender, von sich eingenommener Mensch, ein „Geck“ oder „Protz“. Thackeray formuliert es auf seine unnachahmliche Art:

„Ein Snob gleicht dem Frosch, der sich zum Ochsen aufblähen möchte.“

(Seite 126, W. M. Thackeray, „Das Buch der Snobs“, Herausgeber Michael Holzinger, Berlin 2016, genaue Angabe siehe unten, Mein Lese-Exemplar).

Und diese „aufblähwilligen Frösche“ finden sich in der viktorianischen Gesellschaft überall, Thackeray hat sie im Adel, in der Geistlichkeit, beim Militär, unter den Professoren der Universitäten, in den Klubs, auf dem Land, in der Stadt, unter Ehepaaren, Tischgästen und Sportbegeisterten entdeckt.

Das Buch der Snobs

So könnte ein „Bart-Snob“ aussehen…

(Bild rechts: OpenClipart-Vectors/Pixabay)

Das Snobtum und die Speichelleckerei ziehen sich durch alle Stände, es befällt die Ärmsten wie die Dienstboten, den Mittelstand, den neuen Geldadel, die geborenen Blaublütigen, den Engländer, den Schotten, den Iren. Wer arrogant ist, ist ebenso ein Snob, wie derjenige, der vor Höhergestellten buckelt.

So sieht der Lakai des Lords vornehm auf den Lakai eines reichen Fabrikanten herab, Gräfin X. gibt alles dafür, zu einer Gesellschaft der Herzogin von Y. eingeladen zu werden, der Dekan einer Universität schmückt sich mit den Namen der adeligen Familien seiner Sprösslinge, etc. . Man lügt, kriecht, schmeichelt, verschuldet sich, intrigiert, heiratet mit Blick auf Stand oder Geldbeutel, nur um dazu zu gehören.

Die Ursache des Snobtums sieht Thackeray im innenpolitischen System des viktorianischen England, in der geltenden Hierarchie. Regierungsämter, hohe Ränge beim Militär, einträgliche Pfarr-Pfründen werden an den Adel vergeben und gehen automatisch an dessen Söhne weiter. Leistung, Intelligenz oder Bildung spielen keine Rolle, noch nicht einmal geistige Gesundheit.

Konkurrenz für den Adel entsteht durch den im Zuge der Industrialisierung aufgekommenen Geldadel. Seine Vertreter können sich nun in solche Ämter einkaufen, ebenfalls ungeachtet jedweder Qualifizierung.

Thackeray beschreibt in „Das Buch der Snobs“ das Treiben dieser Spezies humorvoll, doch niemals boshaft, in amüsanten Anekdoten. Taktvoll verwendet der Spötter (passende?) Deck- oder Spitznamen wie Rubadub, Lord Langohr oder Earl of Mangelwurzelshire – ich denke, seine viktorianischen Zeitgenossen werden gewusst oder zumindest geahnt haben, wer gemeint war.

Vor sich selbst macht Thackeray keinen Halt, er ordnet sich als Snob ein, auch das nimmt seinen „Lästereien“ die Schärfe. Und sein Schlusswort stimmt alle Snobs versöhnlich:

…möge er (gemeint ist der Punch, das Satire-Magazin) aber auch nie vergessen, dass Spott zwar gut, die Wahrheit jedoch besser und die Liebe das allerbeste ist.“

(Seite 187, W. M. Thackeray, „Das Buch der Snobs“, Herausgeber Michael Holzinger, Berlin 2016, genaue Angabe siehe unten, Meine Lese-Exemplare).

Jetzt fragen sich einige von Euch vielleicht, was soll ich mit einem Buch über Snobs im viktorianischen England? Nun, das Snobtum blüht weltweit nach wie vor frisch und pflanzt sich fort. Die Adeligen damals werden heute ersetzt durch Influencer, Fashionistas, Schauspiel-Ikonen, Musiker, Fußball-Spieler, um nur einige unserer Idole aufzuzählen.

Es geht auch eine Nummer kleiner, neulich hörte ich den Satz: „Wir kommen gerade von einer Gartenparty bei unserem Freund, dem Chef-Anästhesisten“. Laut und mit Beifall heischendem Blick in die Runde wurde so das Zuspätkommen beim „Feschtle“ eines (sehr netten, kultivierten und intelligenten) Normalos begründet. Wenn das kein Dumm-Snobismus ist…

„Das Buch der Snobs“ – mein Fazit

Die durchaus faire Kritik, der feine Spott, die bildhafte Beschreibung der Snobs und ihrer Bemühungen macht das „Buch der Snobs“ des William Makepeace Thackeray auch heute noch lesenswert. Jede Snob-Gattung hat ihr eigenes Kapitel (oder mehrere, je nach Verbreitung in der Gesellschaft). Thackeray formuliert recht modern und flott, man liest sich schnell ein. Und findet in mancher Episode durchaus Parallelen zu unserer Gesellschaft. Ich kann „Das Buch der Snobs“ durchweg wärmstens empfehlen, auf einer Skala von 10 würde ich 10 Punkte geben.

Datei:William Makepeace Thackeray.jpg

William Makepeace Thackeray (1811-1863), porträtiert von Francis Montague Holl (1845-1888).

(Wikimedia, gemeinfrei)

„Das Buch der Snobs“ – meine Lese-Exemplare

William Makepeace Thackeray, „Das Buch der Snobs“, 187 Seiten, übersetzt von Heinrich Conrad (1910 für den Georg Müller Verlag, München und Leipzig), neu bearbeitet und herausgegeben von Michael Holzinger, Berliner Ausgabe, 2016.

William Makepeace Thackeray, „Das Snobsbuch“, 267 Seiten (anderes Format), übersetzt von E. A. Witte und „Die vier George“, 153 Seiten, übersetzt von J. Augspurg, erschienen 1896 (?, s.o.) im Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig

„Das Buch der Snobs“ – Weblinks

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