»Der Monddiamant« aus dem Jahre 1868, ein Criminal-Roman des britischen Schriftstellers Wilkie Collins (1824-1889), gilt als einer der ersten britischen Detektivromane. 1841 hatte der amerikanische Viktorianer Edgar Allan Poe mit seinem »Der Doppelmord in der Rue Morgue« -> https://www.getabstract.com/de/zusammenfassung/der-doppelmord-in-der-rue-morgue/21061 das Genre des Kriminalromans begründet.

»Der Monddiamant« – eine Einleitung

Wilkie Collins lässt die Handlung seines Kriminalromans »Der Monddiamant« wieder von verschiedenen Beteiligten aus ihrer Sicht erzählen, ähnlich wie bei »Die Frau in Weiß«. Hausangestellte, Freunde, Verwandte berichten in Tagebucheinträgen und Briefen über die mysteriösen Vorgänge um den Monddiamanten.

Es sind: Gabriel Betteregde, Hausverwalter der Familie Verinder, die frömmelnde Miss Clack, Nichte des verstorbenen Sir John Verinder, der Advokat Matthew Bruff, Mr. Franklin Blake, Neffe von Lord und Lady Verinder, Ezra Jennings, Inspektor Cuff, Doktor Candy sowie mehrere am Rande beteiligte Personen.

Es geht um den (eigentlich zweifachen) Diebstahl eines indischen Diamanten, um einen verhängnisvollen Fluch und drei Brahmanen, um Selbstmord und Mord, um Liebe und Enttäuschung. Das alles in spannend miteinander verflochtenen Handlungssträngen. Wir Leser tappen lange im Dunkeln und werden vom Ausgang völlig überrascht, so mögen wir es bei einem Criminal-Roman, egal ob mit C oder K.

Er schimmert wunderbar und ist doch verflucht: wer den Monddiamanten unrechtmäßig an sich bringt, dem droht Unheil…

Der Monddiamant

»Der Monddiamant« – über den Autor

Wilkie Collins wurde 1824 in London geboren und starb dort 1889. Der enge Freund des viktorianischen Schriftstellers Charles Dickens war zu seiner Zeit ein beliebter und viel gelesener Autor und bekannt durch seine Kriminal- und Sensationsromane wie »Die Frau in Weiß« (1860), »Der rote Schal« (1866), »Gesetz und Frau« oder auch »Die Dame und das Gesetz« (1875), »Das geheimnisvolle Hotel« (1878) u.v.m..

Collins studierte zunächst Jura, wandte sich aber lieber dem Schreiben zu und verdingte sich als Romanautor, Journalist und Dramatiker. Davon konnte Wilkie Collins mehr als gut leben. Aus seiner Feder stammen eine Biographie, Kurzgeschichten, Novellen, Sachbücher und mehr als 25 Romane: historische, romantische und spannende Detektivromane.

Zusammen mit Charles Dickens verfasste Collins einige Texte sowie einen Roman.

»Der Monddiamant« – zum Inhalt

Es beginnt im fernen Indien mit der wechselvollen Geschichte des gelblich schimmernden Monddiamanten, der einst die Stirn einer indischen Gottheit zierte. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der kostbare Stein mehrfach von Eroberern geraubt, doch stets folgten ihm seine Wächter, drei Brahmanen. Auf dem Monddiamanten lastet ein Fluch: wer ihn unrechtmäßig an sich bringt, wird vom Unglück verfolgt!!

Der Monddiamant

Der letzte Räuber des Monddiamanten war ein Colonel Herncastle, der 1799 während der britischen Eroberung der indischen Stadt Srinrangapattam den Stein an sich brachte und dessen Bewacher ermordete.

Bis nach England wurde Colonel Herncastle von drei indischen Priestern verfolgt und fortan beobachtet – Grund genug für ihn, den Monddiamanten sicher aufzubewahren. In seinem Testament vermacht Herncastle den Monddiamanten seiner Nichte Rachel, kein Akt der Freundlichkeit, eher eine späte Rache. Einst hatten Lady Verinder und ihre Tochter Rachel sich geweigert, den übel beleumundeten Verwandten zu empfangen. Zu ihrem 18. Geburtstag im Jahr 1848, fast 50 Jahre nach dem Raub, soll Rachel den Stein erhalten.

Überbracht wird er von ihrem Cousin Franklin Blake, der sich lange Jahre im Ausland aufgehalten hat und nun in die Heimat zurückgekehrt ist. Gleichzeitig mit Blake und dem Stein taucht eine indische Gauklertruppe vor dem Landsitz der Verinders in Yorkshire auf. Die Inder werden vom Hausverwalter Gabriel Betteredge verscheucht, lassen sich aber im nahe gelegenen Ort Frizinghall nieder.

Der 18. Geburtstag naht, das Geschenk wird übergeben. Rachel ist von ihrem ererbten Monddiamanten begeistert, Lady Julia Verinder besorgt, ahnt sie doch, dass der verfluchte Stein kein Glück bringen soll und es wohl auch nicht wird. Auf der Dinnerparty zu ihrem Ehrentag trägt Rachel unbekümmert und stolz den Diamanten an ihrem Abendkleid.

Der unheilvolle Einfluss des Diamanten scheint sich schon an diesem Abend bemerkbar zu machen, es kommt zu Streitereien und Missverständnissen zwischen den Gästen.

Der Forschungsreisende Mr. Murthwaite warnt Rachel Verinder davor, jemals mit dem gelben Diamanten, einem geheiligten Hindu-Stein, nach Indien zu reisen, dort würde sie für seinen Besitz unweigerlich ermordet.

In der Nacht nimmt Rachel Verinder den Monddiamanten unbekümmert mit auf ihr Zimmer und schließt ihn in ein Schränkchen ein. Am nächsten Morgen ist der Stein verschwunden. Verdächtig ist eigentlich jede/r, der in dieser Nacht im Hause war, die Dienstboten ebenso wie die Gäste Franklin Blake und Godfrey Ablewhite, auch ein Cousin Rachels. Übrigens: beide jungen Männer sind in ihre Cousine verliebt, Rachel bevorzugt offensichtlich Franklin und hat einen Heiratsantrag Ablewhites schon abgelehnt.

Doch der Diebstahl des Monddiamanten setzt allem Liebesgeplänkel vorerst ein Ende. Da Sergeant Seegrave von der örtlichen Polizei nicht fähig erscheint, das Verbrechen aufzuklären und Bewohner und Hausangestellte mit seinen Methoden nur gegen sich aufbringt, wird Inspector Cuff, eine Koryphäe von Scotland Yard herbei gerufen. Ihm fallen sofort verdächtige Hinweise auf, die Seegrave übersehen hatte: so ist eine frisch bemalte Tür in Rachel Verinders Wohnzimmer an der Ecke unten verwischt, der Dieb muss sie mit seinem Nachtgewand gestreift haben.

Da Rachel und das vorbestrafte Dienstmädchen Rosanna Spearman sich seltsam benehmen, verdächtigt Cuff die beiden. Denn Rachel verweigert jegliche Auskunft, ist jähzornig, weist sogar ihren Cousin Franklin harsch zurück und schließt sich in ihrem Zimmer ein. Rosanna wird bei nächtlichen Aktivitäten in ihrem Zimmer, bei merkwürdigen Einkäufen, beim Belauschen von Gesprächen und beim Verschwindenlassen eines Paketes beobachtet.

Als Rosanna sich umbringt, wird Lady Verinder alles zu viel. Sie entlässt Cuff aus ihren Diensten und zieht sich mit ihrer Tochter Rachel ins Londoner Stadthaus zurück.

Franklin Blake, schmählich von Rachel abserviert, verlässt England und lebt eine Zeit im Ausland. Inspektor Cuff tritt seinen lang ersehnten Ruhestand an.

Ein Jahr zieht ins Land, Lady Verinder stirbt und Rachel findet Obhut bei Onkel und Tante Ablewhite, den Eltern Godfreys. Überraschend geht Rachel ein Verlöbnis mit Godfrey ein, löst es aber bald schon wieder, da sie erfahren hat, dass Godfrey nicht so wohlhabend ist, wie es scheint und sie nur wegen ihres Geldes heiraten will. Godfrey nimmt das Ganze recht gelassen hin.

Die Gerüchte um den Monddiamanten verstummen nicht, es heißt, er sei in London bei dem Geldverleiher Septimus Luker aufgetaucht.

Der Monddiamant

Luker und Godfrey, die sich auf der Straße zufällig getroffen hatten, werden kurz nacheinander von Indern überfallen. Ihnen geschieht aber nichts.

Franklin Blake ist unterdessen aus dem Ausland zurück gekehrt, ihm lässt der ungelöste Diebstahl des Monddiamanten keine Ruhe. In London weigert sich seine Cousine Rachel, ihn zu sehen.

Franklin stellt in Yorkshire, dem damaligen Schauplatz des Verbrechens, weitere Nachforschungen an. Eine Freundin der verstorbenen Dienstmagd Rosanna Spearman übergibt ihm einen Brief von ihr. Darin gesteht ihm Rosanna Spearmann ihre Liebe und dass sie Hinweise gefunden hatte, die ihn als Dieb des Monddiamanten entlarvten. Sie habe sein farbverschmiertes Nachthemd im Treibsand versteckt, um ihn zu schützen. Da sie ihn nicht für sich gewinnen konnte, habe sie sich umgebracht, schreibt Rosanna.

Franklin findet das Nachthemd an der von Rosanna bezeichneten Stelle. Er erzwingt eine Aussprache mit Rachel und erfährt zu seiner Bestürzung, dass sie in der Nacht gesehen hatte, wie er den Mondstein an sich nahm. Zwar wollte sie ihn nicht an die Polizei verraten, konnte ihn aber auch nicht mehr vertrauensvoll lieben.

Nun möchte Franklin noch dringlicher den Diebstahl aufklären, er kann sich an nichts in der fraglichen Nacht erinnern. Unerwartete Hilfe kommt vom Gehilfen des mittlerweile dementen Doktor Candy, Ezra Jennings. Jennings muss wegen einer schmerzhaften Erkrankung Opium nehmen und vermutet, man könne Franklin Blake diese Droge eingeflößt haben. Denn Franklin war während der Dinnerparty in Streit mit Doktor Candy geraten, weil er die ärztliche Kunst in Frage gestellt hatte.

Wollte sich der Doktor vielleicht an Franklin rächen, in dem er ihm unbemerkt etwas Opium (in Form von Laudanum, das es in der viktorianischen Zeit in fast jedem Haushalt gab) ins Glas gemischt hatte?

Jennings und Franklin stellen die Ereignisse der Nacht nach, der Advokat der Verinders, Mr. Bruff und auch Rachel sind bei dem Experiment auf dem Landgut zu gegen. Unter dem Einfluss des Laudanum wiederholt Franklin seine Tat, lässt den Diamanten dann aber fallen und schläft ein. Franklins Unschuld ist bewiesen und Rachel überglücklich, doch es konnte nicht geklärt werden, was mit dem Monddiamanten geschah, nachdem ihn Franklin hatte fallen lassen.

Die Spur führt wieder nach London – zu einem mysteriösen Seemann, der ermordet wird. Wer ist der Mann? Die Aufklärung birgt für uns Leser eine große Überraschung!

Mehr wird jetzt nicht verraten, nur eines: keine der an der Geschichte beteiligten Hauptpersonen wird den Monddiamanten jemals wieder zu Gesicht bekommen…

Das Schlusswort überlässt Wilkie Collins dem Forschungsreisenden Mr. Murthwaite, einst Gast bei den Verinders. Er berichtet aus Indien, er habe bei einer Zeremonie in einem einstmals geplünderten Heiligtum den gelben Diamanten an der Stirn der Statue des Mondgottes gesehen. Und drei Brahmanen, die ohne Zweifel identisch mit den indischen Gauklern in Yorkshire gewesen seien…

»Der Monddiamant« – mein Fazit

Spannender und geheimnisvoller als in »Der Monddiamant« geht es kaum, schon die Auflösung des Diebstahls überrascht völlig, doch wer am Ende hinter all dem steckt, ist noch verblüffender. Wilkie Collins erzählt vorzüglich, schreibt flüssig und formuliert aus unserer Sicht recht modern.

Der Monddiamant

Modern und wenig viktorianisch ist auch die Art, wie kritisch Wilkie Collins in »Der Monddiamant« mit den Missständen seiner Zeit umgeht und sie bloßlegt.

Die britische Kolonialpolitik wird durch den mörderischen Raub eines ihrer Offiziere in einem ungünstigen Licht dargestellt. Für die drei Inder, die ihr Heiligtum zurückholen wollen, erweckt Collins Verständnis. Ihre Brutalität trifft den Schurken und erscheint somit nachvollziehbar. Man muss bedenken, dass die Viktorianer sich der Größe ihres Weltreiches durchaus bewusst waren und mit Hochmut und Misstrauen auf alle Ausländer herab blickten, besonders auf diejenigen aus den von ihnen beherrschten Kolonien. Daher wird in „Der Monddiamant“ auch Ezra Jennings, dessen Mutter aus den Kolonien stammte, mit viktorianischer Verachtung begegnet – Wilkie Collins zeigt ihn als intelligenten und selbstlosen Menschenfreund.

Die bigotte Verinder-Nichte Miss Drusilla Clack und der vermeintlich sozial engagierte, sich gentlemanlike gebende Verinder-Neffe Godfrey Ablewhite lässt Collins dagegen für die frömmlerische und missionarische Form der privaten Wohltätigkeit stehen, die sich in zum Teil unsinnigen Projekten äußerte (Collins kreiert eigens einen Hosenverein der Mütter) und stets an scheinheilige Belehrungen oder das Verteilen von gottgefälligen Traktaten geknüpft war. Staatliche Sozialfürsorge gab es nicht, wer arm oder krank war, hatte nach Ansicht der Viktorianer dieses Los auf die ein oder andere Art verdient.

Mit Rachel Verinder und ihrer Mutter zeichnet Collins in »Der Monddiamant« das Bild starker, innerlich unabhängiger Frauen mit echtem Ehrgefühl, die nicht den Konventionen ihrer Zeit um des guten Tones willen nachhecheln. Ein emanzipatorischer Ansatz eines viktorianischen Schriftstellers, gut so, Mr. Collins!! Solch selbstbewusste, standhafte und mutige Frauen kommen in Collins Mysterie-Novels oft vor, denkt nur an Marian in »Die Frau in Weiß« oder Valeria in »Die Dame und das Gesetz«.

Diese wenigen Beispiele zeigen schon, wie Wilkie Collins in »Der Monddiamant« immer wieder die verlogenen oder kritikwürdigen Konventionen der viktorianischen Ära spielerisch entlarvt, ähnlich wie es sein Freund und Kollege Charles Dickens getan hat.

»Der Monddiamant« – mein Lese-Exemplar

Wilkie Collins, »Der Monddiamant« (OT: »The Moonstone«), ein Criminal-Roman, 549 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Inge Lindt, erschienen 1996 im Deutschen Taschenbuch Verlag, München.

»Der Monddiamant« – Weblinks und Buchempfehlungen

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