„Der Tote von Bluegate Fields“ – Einführung

„Der Tote von Bluegate Fields“ (OT: „Bluegate Fields“), manchmal auch unter dem deutschen Titel „Ein Mann aus bestem Hause“ publiziert, ist ein neoviktorianischer Krimi aus der Feder von Anne Perry. „Der Tote von Bluegate Fields“ gehört zur Charlotte-und Thomas-Pitt-Reihe aus dem viktorianischen England zur Zeit Jack The Rippers.

Der Tote von Bluegate Fields

Es gibt noch die Daniel-Pitt-Reihe (hier ermittelt der Sohn von Thomas und Charlotte Pitt zu Beginn des 20. Jahrhunderts), die William-Monk- sowie die Vikar-Joseph-Reavley-Reihe, einen Fantasy-Zyklus, die Weihnachtsgeschichten, und und und.

(Bild links: Art Tower/Pixabay)

Damit Ihr den Überblick nicht verliert, habe ich bereits in Meine Leselampe KW 35 – Vorschau einen der Links veröffentlicht, unter dem alle Werke in der richtigen Reihenfolge aufgelistet sind -> https://www.meineleselampe.de/meine-leselampe-kw-35-vorschau/.

„Der Tote von Bluegate Fields“ – zur Autorin

Das Leben Anne Perrys, besser gesagt ihre Jugendzeit, liest sich ebenso spannend wie ein Krimi, fast sogar spannender.

Die Schriftstellerin wurde als Juliet Marion Hulme 1938 in London geboren. Früh erkrankte sie an Tuberkulose und musste ab dem sechsten Lebensjahr in milderen Klimaten leben: Bahamas und Neuseeland.

Zunächst wurde Juliet bei einer Pflegfamilie untergebracht. Erst als ihr Vater, der Physiker Henry Rainsford Hulme (siehe unter Quellen und Weblinks), 1947 die Rektor-Stelle an der Universität von Canterbury in Neuseeland bekam, konnte Juliet wieder mit ihren Eltern zusammen leben.

Juliet hatte sich sehr eng mit Pauline Parker befreundet, die Mädchen waren unzertrennlich. Als Juliets Eltern beschlossen, sich scheiden zu lassen, war sie 15 und wollte mit ihrem Vater Neuseeland verlassen – aber nicht ohne ihre Freundin. Pauline jedoch befürchtete, ihre Mutter werde das verhindern und so erschlugen die Freundinnen sie gemeinsam am 22. Juni 1954.

Die Mädchen wurden zu einer Haftstrafe verurteilt und nach fünf Jahren (unter der Bedingung eines lebenslangen Kontaktverbotes) wieder auf freien Fuß gesetzt.

Gleich danach verließ Juliet Neuseeland und reiste zurück nach England. Als ihre Mutter sich wieder verheiratete, nahm Juliet den Namen des Stiefvaters an: Perry.

In den nächsten Jahre jobbte Anne Perry, lebte einige Jahre in den USA, wurde Mormonin, begann 1960 zu schreiben, konnte aber erst 1979 ihr erstes Werk veröffentlichen: „Der Würger von der Cater Street“ (der Auftakt zur „Charlotte-und Thomas-Pitt-Reihe“).

Für ein Vierteljahrhundert fand Anne Perry ihre Heimat in dem schottischen Dorf Portmahomack, 2017 zog die heute 82-Jährige nach Hollywood (Quelle: Daily Mail.com.uk, Online, 2017), um ihre Bücher für die filmische Umsetzung zu bearbeiten – Respekt!!.

„Der Tote von Bluegate Fields“ – die Handlung

In der Kanalisation eines der übelsten Slums von London, in Bluegate Fields, wird die nackte Leiche eines Sechzehnjährigen gefunden. Bei der Obduktion stellt Dr. Cutler fest: der Junge war gepflegt, stammte demnach aus gutem Hause und keineswegs aus Bluegate Fields. Jedoch: so jung er war, hatte er sich schon mit Syphilis angesteckt und war homosexuell missbraucht worden. Blutergüsse und Lungeninhalt legen nahe, dass er in einer Badewanne ertränkt wurde.

Eine schwere Aufgabe für Kommissar Pitt, stellt sich doch heraus, dass der Tote Arthur Waybourne ist, der Sohn von Sir Anstey Waybourne. Sir Anstey will die Begleitumstände des Mordes zunächst nicht wahrhaben und dann am liebsten die peinlichen Details totschweigen.

Pitts Vorgesetzter, der cholerische Polizeichef Dudley Athelstan, fordert Takt und Fingerspitzengefühl und teilt Pitt den jungen Kollegen Harcourt Gillivray zu, dem er eher zutraut, die Mordermittlungen in dem prekären Fall dezent zu betreiben.

Sir Anstey bevorzugt die Version, sein Sohn sei von Kriminellen entführt und getötet worden. Doch Thomas Pitt bleibt hartnäckig. Ins Visier der Ermittler gerät der Hauslehrer der Ansteys, ein gewisser Mr. Jerome. Der jüngere Bruder des Mordopfers, Godfrey, und einer seiner Freunde hatten ihren Vätern erzählt, Jerome habe sie auf „homosexuelle Art“ berührt.

Gillivray sammelt eifrig immer mehr Beweise für eine Schuld des humorlosen, überaus korrekt wirkenden Mannes und treibt eine Prostituierte und den blutjungen Albie Frobisher, der seinen Körper an Männer verkauft, auf. Beide belasten Mr. Jerome schwer. Thomas Pitt hat seine Zweifel an den Aussagen, die seine Frau Charlotte teilt, der Polizeichef leider nicht.

Der Tote von Bluegate Fields

Es kommt zum Prozess und Jerome wird schuldig gesprochen.

(Bild rechts: S. Hermann & F. Richter/ Pixabay)

Trotz der Drohungen Athelstans, Pitt werde degradiert, ermittelt dieser weiter, unterstützt von seiner Charlotte, die ihre vornehme Herkunft nutzt, um in den gehobenen Kreisen zu ermitteln und gleichzeitig eine Kampagne gegen Kinderprostitution zu starten.

Weitere Informationen wären Spoiler, wie stets an einer solchen Stelle verweise ich auf das „Selbstlesen“…

„Der Tote von Bluegate Fields“ – mein Fazit

Anne Perry – „die Königin des viktorianischen Krimis“: mit diesem Attribut wird die britische Autorin gern und häufig bedacht. Sie ist für mich lediglich die Vielschreiber-Königin in Sachen Krimis, die in der viktorianischen Epoche angesiedelt sind.

Mir fällt da eine fein formulierte (fiktive) Literaten-Kritik von Charles Dickens in „Die Pickwickier“ ein:

„Mr. Snodgraß, (…), gilt bis auf den heutigen Tag unter seinen Freunden und Bekannten als ein großer Dichter, obgleich wir nicht finden können, dass er je etwas geschrieben hätte, was zu diesem Glauben berechtigen könnte.“

Seite 847/848 aus Charles Dickens, „Die Pickwickier“, Original-Kurztitel: „The Pickwick Papers“ (1836-37), Roman, 849 Seiten, übersetzt von Gustav Meyrink, erschienen 2012 im Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main.

Oh, mit 16, ja, sogar noch mit 18 habe ich die Bücher von Anne Perry, Victoria Holt und Georgette Heyer verschlungen. Heute nun nicht mehr.

„Schuld“ sind die viktorianischen SchriftstellerInnen wie der oben erwähnte Charles Dickens. Die Errungenschaften und Missstände jener Epoche waren denen, die in ihr lebten, ein Anliegen. Sie schrieben über Themen, die sie kannten, den Alltag, in dem sie lebten, über Probleme, die sie am eigenen Leib erfahren hatten – in der Sprache und in dem Stil ihres Jahrhunderts.

Neoviktorianische contra viktorianische Literatur – das ist Retorte contra Authentizität.

Wir heute können unsere ProtagonistInnen zwar in die Kostüme und die Kulisse der viktorianischen Ära stecken – sie werden dadurch jedoch nicht zu Menschen der Zeit.

Anne Perrys „Der Tote von Bluegate Fields“ streift einige Übel der viktorianischen Epoche, erfühlt sie aber nicht. Die Charaktere empfinde ich als stereotyp und ohne psychologische Tiefe gezeichnet.

Der Tote von Bluegate Fields

Leider ist der Krimi auch nicht mit der für die viktorianische Zeit typischen Prise „Gothic“ gewürzt worden, schade.

(Bild links: Enbrique Meseguer/Pixabay)

Die Story hat ihre Längen, das Ende wirkt aufgesetzt, ist daher unbefriedigend. Und bei manchen Formulierungen Perrys schaudert es mich, hier ein Beispiel:

„Die Tentakel der Zwänge, die zu diesem Tod geführt hatten, begannen an die Oberfläche zu kriechen und Pitts Sinne zu bedrohen.“

Seite 56 aus Anne Perry, „Der Tote von Bluegate Fields“, Kriminalroman, 287 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Ingeborg Salm-Beckgerd, deutsche Erstausgabe, erschienen 1991 im Wilhelm Heyne Verlag, München.

Trotzdem sei auch noch etwas Gutes über das Buch gesagt: es ist eine leichte Lektüre für die Urlaubszeit, wenn die Sonne auf den Kopf brennt und die träge Sommerseligkeit nicht mit konzentriertem Nachdenken über Buchinhalte belastet werden soll…

Und ich werde – trotz meines enttäuschten Fazits – weiter nach einem qualitativ hochwertigen neoviktorianischen Roman suchen!!!

„Der Tote von Bluegate Fields“ – mein Lese-Exemplar

Anne Perry, „Der Tote von Bluegate Fields“, Kriminalroman, 287 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Ingeborg Salm-Beckgerd, deutsche Erstausgabe, erschienen 1991 im Wilhelm Heyne Verlag, München.

Oder – ebenfalls gebraucht – eine Ausgabe vom Weltbild-Verlag unter dem Titel „Ein Mann aus bestem Hause“…

„Der Tote von Bluegate Fields“ – Quellen und Weblinks

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