Inhalt
„Die Dame und das Gesetz“ – eine Einleitung
„Die Dame und das Gesetz“ (OT: „The Law and The Lady“) brachte der viktorianische Autor Wilkie Collins 1875 heraus und führte mit diesem Roman erstmals eine Frau als Detektivin ein: Valeria.
Und mit ihr in viktorianischer Zeit eine Frau, die eigenständig denkt und unerschrocken handelt – das dürfte damals viele vor den Kopf gestoßen haben.
Zwar zeigten manche Hauptdarstellerinnen in Collins früheren mystery und detective novels wie Marian Halcombe in „Die Frau in Weiß“ (1860) oder Lydia Gwilt in „Der rote Schal“ (1866) durchaus Verstand und Mut, aber so ganz allein auf sich gestellt und selbstbewusst wie Valeria in „Die Dame und das Gesetz“ hatte zuvor noch kein „Weib“ agiert.
„Die Dame und das Gesetz“ – über den Autor
Leser:innen von Meine Leselampe ist Wilkie Collins kein Unbekannter: -> https://www.meineleselampe.de/der-monddiamant/
Wilkie Collins wurde 1824 in London geboren. Sein Vater war ein berühmter Landschaftsmaler, seine Mutter die Tochter eines Malers, Collins war also künstlerisch vorbelastet.
Der Freund des viktorianischen Schriftstellers Charles Dickens (und über Heirat zwischen den Familien ein entfernter Verwandter) gilt als der Vater des modernen Kriminalromans.
(Bild rechts: Elliott & Fry, London, 1871, Quelle: wikimedia, Urheberrecht erloschen)
Collins versuchte sich zunächst im kaufmännischen Bereich. Dem konnte er nichts abgewinnen und studierte Jura. Letztendlich fand Collins seine Berufung dann als Romanautor, Journalist und Dramatiker.
Aus seiner Feder stammen eine Biographie seines Vaters, Kurzgeschichten, Novellen, Sachbücher und zahlreiche historische und romantische Romane, mystery thriller und detective novels. Zusammen mit Charles Dickens verfasste er einige Texte sowie einen Roman.
Schon zu Lebzeiten war Wilkie Collins erfolgreich und bekannt. Stand er auch ein wenig im Schatten seines Freundes Charles Dickens, konnte er von seiner Arbeit als Autor doch sehr gut leben.
Zeitgenossen beschreiben ihn als großartigen Schriftsteller und Geschichtenerzähler, als menschlich, intelligent und humorvoll, wenn auch unter Stimmungsschwankungen leidend: mal soll er fröhlich, dann wieder melancholisch gewesen sein (siehe Punkt 2. unter Quellen und Weblinks: victorian web -> zitiert aus einem Buch von W. Winter).
Vielleicht waren die schmerzhaften Gichtattacken, an denen Collins litt, ein Grund für die seelischen Auf-und-Abs. Seine Ärzte verschrieben ihm Morphium, von dem er abhängig wurde. Trotzdem reiste Collins 1878 nach Nordamerika, um dort Vorträge zu halten (siehe Punkt 4. unter Quellen und Weblinks: wilkiecollins.de -> zitiert einen Artikel aus dem Tauchnitz-Magazin)
1898 starb Wilkie Collins in London, einige Monate nach einem Schlaganfall.
Weltberühmt bis in unsere Zeit hinein wurde Wilkie Collins durch “Die Frau in Weiß” (ein “mystery thriller”, 1860) und “Der Monddiamant” (eine “detective novel”, 1868) oder “Der rote Schal” von 1866. Alle drei Werke wurden verfilmt.
In „Die Dame und das Gesetz“ zeigt Wilkie Collins mit der Schilderung einer recht emanzipierten Frau seine moderne und unkonventionelle Seite, auch erzählt er das Geschehen diesmal nicht aus der Perspektive mehrerer Beteiligter sondern nur aus Valerias.
„Die Dame und das Gesetz“ – zum Inhalt
Auf einem Spaziergang in der Nähe der Pfarrerei ihres Onkels Starkweather begegnet Valeria zum ersten Mal Eustace Woodville, beide verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Trotz einiger Widerstände seitens Eustaces Familie und Valerias Onkel heiraten die beiden.
Schon der regnerische Hochzeitstag, die wenigen Gäste und ein Missgeschick Valerias beim Unterschreiben des Ehedokumentes erzeugen beim Leser das Gefühl drohenden Unheils.
(Bild links: Please Don’t sell My Artwork AS IS/Pixabay)
Auf der Hochzeitsreise nach Ramsgate, von wo aus die beiden Jungvermählten zu einer Segeltour starten wollen, begegnet Valeria zufällig Eustaces Mutter.
Valeria muss innerhalb weniger Stunden erkennen, dass der Familienname ihres Mannes gar nicht Woodville sondern Macallan lautet. Warum hat ihr Mann sie unter einem falschen Namen geheiratet? Ist sie überhaupt rechtmäßig verheiratet?
Ihre Schwiegermutter verweigert ihr jegliche Auskunft und von Eustace bekommt sie zunächst Ausflüchte zu hören, dann bricht er verzweifelt zusammen und fleht sie an, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Kurz darauf bittet Eustace Valeria, ihn nach London zu begleiten, er habe dort dringende Geschäfte zu erledigen. Valeria ist das sehr recht, will sie doch nachforschen, ob ihre Ehe juristisch Bestand hat und was hinter dem falschen Namen ihres Gatten steckt.
Bei Major Fitz-David, einem alten Freund ihres Mannes (und auch ihres Onkels) erfährt sie, dass ihr Mann vor drei Jahren des Giftmordes an seiner ersten Frau angeklagt wurde. Das schottische Gericht ließ ihn zwar frei, doch eigentlich nur aus Mangel an Beweisen. Seine Unschuld wurde nicht zweifelsfrei erwiesen.
Valeria ist schockiert darüber, was und wieviel Eustace ihr verschwiegen hat, glaubt jedoch fest an seine Unschuld und will mit ihm zusammen die nötigen Beweise finden. Eustace aber verschwindet und hinterlässt ihr lediglich einen Brief:
„[…] Die einzige Buße, die ich mir auferlegen kann, ist die, dass ich Dich verlasse; die einzige Chance für Dein künftiges Glück ist die, von meinem entehrten Leben losgerissen zu werden. […] das Gespenst des vergifteten Weibes steht zwischen uns. […]“
Seite 90 aus Wilkie Collins, „Die Dame und das Gesetz, 293 Seiten, erschienen 2018 im Europäischen Literaturverlag, Berlin.
Valeria gibt nicht auf und beginnt, die Ereignisse von damals aufzurollen – entgegen aller Warnungen seitens Freunden, Verwandten oder des damaligen Anwaltes ihres Mannes und nicht ahnend, auf welch enges Netz aus falschen Verdächtigungen, raffinierten Lügen und Wahnsinn sie stoßen wird.
„[…] Weder Verwandte noch Freunde werden mich je zurückhalten für meinen Gatten in den Kampf zu gehen. Die Bestätigung seiner Unschuld ist die Aufgabe meines Lebens, […].“
Seite 98 aus Wilkie Collins, „Die Dame und das Gesetz, 293 Seiten, erschienen 2018 im Europäischen Literaturverlag, Berlin.
(Bild rechts: OpenClipart-Vectors/Pixabay)
Das Ende birgt Überraschungen für Valeria und für uns, aber lest selbst.
„Die Dame und das Gesetz“ – mein Fazit
In „Die Dame und das Gesetz“ präsentiert der viktorianische Schriftsteller Wilkie Collins einen neuen Ansatz in seinen mystery und detective novels.
Wählte er bisher mehrere Protagonisten aus, die das Geschehen aus ihrer Sicht schildern, beschränkt er sich diesmal auf eine Hauptdarstellerin: die für damalige Zeiten forsche und zielstrebige Valeria.
Sehr straff und dynamisch lässt Collins sie erzählen, wie sie Beweise für die Unschuld ihres Mannes sucht und raffiniert lockt er seine Leser:innen gemeinsam mit Valeria auf falsche Fährten.
An dem Protokoll über Eustaces Gerichtsverhandlung merkt man die juristischen Fachkenntnisse des Autors, interessant sind auch die unkomplizierten Beschaffungs- und mannigfaltigen Verwendungsmöglichkeiten von Arsenik zu viktorianischen Zeiten.
(Anmerkung am Rande: im 19. Jahrhundert wurde Arsenik in der Human- und Tiermedizin, zur Ungeziefer- und Schädlingsbekämpfung, zu kosmetischen Zwecken, für Giftmorde und als Droge verwendet, muss ein regelrechter Hype gewesen sein. Wenn es Euch interessiert, ich habe dazu einen weiterführenden Artikel gefunden-> https://www.irks.at/assets/irks/Publikationen/Arsenesser.pdf)
Mir war und ist dieser Eustace mit seinen merkwürdigen Ehrbegriffen gar nicht sympathisch (Collins wohl auch nicht, das erkennt man an den Schlussworten Valerias, finde ich). Ich misstraute ihm die ganze Zeit und halte ihn nach wie vor für feige. Ich misstraute während des Lesens eigentlich fast allen, so soll es sein bei einem Krimi. Das Ende ist für uns „unterwegs beim Lesen“ niemals klar abzusehen oder zu erahnen.
Wilkie Collins „Die Dame und das Gesetz“ empfehle ich Euch, es ist für mich absolut lesenswert. Enttäuschend finde ich jedoch meine Buchausgabe vom Europäischen Literaturverlag. Gewählt wurde die Übersetzung des Schriftstellers Adolf von Winterfeld, einem Zeitgenossen Collins‘. Dieser Umstand ist gut, doch damit hört es auch schon auf.
Denn was Verlag und Lektorat unter – ich zitiere „Die Orthografie wurde der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst und die Interpunktion behutsam modernisiert“ – verstehen, ist mir schleierhaft. Oh, hätten sie doch alles so gelassen, wie es war…
Man hat es geschafft, den Sinn mancher Sätze durch „behutsames Modernisieren und Anpassen“ zu entstellen. Da tauchen überflüssige Worte auf (woher kommen die bloß?) oder aus „für“ wird „Tür“, aus „zu erbitten“ -> „zu erbittert“. Kommata wurden anscheinend per Streusandbüchse verteilt, Anredepronomen und dazugehörige Possessivpronomen wie „Sie“, „Ihr“ werden standhaft klein geschrieben, etc. !
Wie gut, dass das menschliche Gehirn in Teilen unverständliche Sätze automatisch korrigiert und glättet.
Um Wilkie Collins und seinem Übersetzer Adolf von Winterfeld gerecht zu werden, sollte das Buch dringend überarbeitet werden… Und bei einem Preis von 15,90 Euro kann man beim Kauf nicht von billiger Ramschware mit Mängeln ausgehen.
„Die Dame und das Gesetz“ – mein Lese-Exemplar
Wilkie Collins, „Die Dame und das Gesetz“, Kriminalroman, 293 Seiten, übersetzt von Adolf von Winterfeld, 1. Auflage, erschienen 2018 im Europäischen Literaturverlag, Berlin.
(Ist eine andere Ausgabe als meine….vielleicht besser!)
„Die Dame und das Gesetz“ – Quellen und Weblinks
- https://de.wikipedia.org/wiki/Wilkie_Collins -> wenig Neues!
- http://www.victorianweb.org/authors/collins/index.html -> hier wird zitiert aus: William Winter, „Wilkie Collins“ (UT: „Alte Freunde: Literarische Erinnerungen an andere Tage“), erschienen 1909 bei Moffat, Yard & Co. New York.
- https://wilkiecollinssociety.org/redefining-bodies-and-boundaries-in-wilkie-collinss-armadale-and-the-law-and-the-lady/
- https://www.wilkiecollins.de/ -> unter anderem hervorragende biographische Informationen!!