Eine Buchvorstellung mal in Form eines Interviews – über den Roman »Evelina« sprach ich mit der Frau, die ihn dankenswerter Weise ins Deutsche übersetzt hat: Rebecca Scharpenberg [1].

»Evelina« – Einleitung

Das Buch, um das es heute auf Meine Leselampe geht, stammt zwar nicht aus der viktorianischen Epoche, hatte aber einen ähnlich großen Einfluss auf deren Werke und SchriftstellerInnen wie der Roman »Belinda« von Maria Edgeworth [1]: der Briefroman »Evelina oder der Eintritt einer jungen Dame in die Welt« von Frances Burney.

Ich habe mit der Übersetzerin »Evelinas« gesprochen, mit Rebecca Scharpenberg, die ich gleich vorstelle. Zunächst ein paar Worte über die Autorin selbst.

»Evelina« wurde von Frances Burney geschrieben, die von 1752 bis 1840 lebte und in meinen Augen eine faszinierende und zudem eine emanzipierte Frau war [2]. Aus einfachen Verhältnissen stammend, gelang es ihr, Hofdame der englischen Königin Charlotte zu werden – dank ihrer Zugehörigkeit zu den Londoner Blaustrümpfen [3]. Nach fünf sehr anstrengenden und ihre Gesundheit belastenden Jahren am englischen Hofe bat sie um ihre Entlassung und ging ab 1791 auf Reisen.

In Surrey lernte Frances Burney den französischen Emigranten und General Alexandre d‘ Arblay kennen und lieben. Sie ernährte ihn, sich und den gemeinsamen Sohn durch ihre schriftstellerische Arbeit und die Pension, die sie als Hofdame erhielt. Um den während der Französischen Revolution beschlagnahmten Grundbesitz ihres Mannes zurückzuerhalten, ging sie mit ihrer Familie 1802 nach Frankreich und blieb dort mehr als zehn Jahre. Sie machte die Bekanntschaft Napoleons, dessen Leibarzt ihr später eine Brust wegen des Verdachts auf Krebs ohne Narkose amputierte, erlebte die Schlacht von Waterloo und kehrte dann nach England zurück.

Ein bewegtes Leben, das die Herausgeberin des Romans, Mascha Hansen, ausführlich in ihrem Nachwort beschreibt und in dem sie gleichzeitig eine sehr lesenswerte Einschätzung und Einordnung der Romane Burneys vornimmt.

Außer ihrem Erstlingswerk »Evelina« verfasste Frances Burney drei weitere Romane: »Cecilia« (1782), »Camilla« (1785) und »The Wanderer« (1814) sowie ein paar Theaterstücke. Sie publizierte die Memoiren ihres Vaters (mehr geschönt denn wahrheitsgetreu) und hinterließ Tagebücher mit aufschlussreichen Informationen über das gesellschaftliche Leben, über Persönlichkeiten ihrer Epoche (einige bekannte Namen finden sich in »Evelina« wieder) und die Rolle der Frau.

»Evelina« – das Interview

Ch. Wilms: Rebecca Scharpenberg, Sie sind ebenfalls eine vielseitige Frau: ursprünglich Juristin, heute Übersetzerin, Lektorin, Texterin, Storytellerin, Schriftstellerin und haben mit der sogenannten Worteule® ein eigenes Unternehmen. Wir hätten also viele Themen, über die wir uns unterhalten könnten, werden uns aber heute vorwiegend auf Ihre Übersetzung des Romans »Evelina« von Frances Burney konzentrieren.

Evelina

Meine Gesprächspartnerin Rebecca Scharpenberg

(Bild links von Rebecca Scharpenberg zur Verfügung gestellt)

»Evelina« erschien erstmals 1778 und wurde daher in einem anderen Englisch geschrieben, als dem modernen, das an den Schulen und Universitäten gelehrt wird. Bedeutet das für eine Übersetzerin eine besondere Herausforderung?

R. Scharpenberg: Wer einen Roman übersetzt, hat natürlich weit mehr als den Auftrag, einen Text in eine andere Sprache zu übertragen. Darin steckt schon eine hohe sprachliche Verantwortung. Es gilt immer, dem Autor des Originals – seiner Tonalität und seiner Intention – so gut wie möglich gerecht zu werden. Andererseits ist da auch diese unglaubliche Chance, eine Geschichte über sprachliche Hürden hinweg auf ganz neuem Terrain lebendig zu machen.

Es darf gezielt mit Worten hantiert, jongliert und gespielt werden, bis es passt, aber die Richtschnur bleiben immer der Autor und sein Ursprungswerk. Schon bevor ich »Evelina« übersetzt habe, waren mir die meisten englischen Schriftsteller und Werke des 18. und 19. Jahrhunderts vertraut. Ich bin seit Jahren ein Fan englischer Klassikerliteratur.

Sowohl »Evelina« als auch »Camilla« und »Cecilia« hatte ich schon damals mehrfach gelesen. Ich war gut informiert über die gesellschaftlichen Hintergründe und Sitten, liebte Burneys Schreibstil, ihre satirische Ader und ihr kluges Spiel mit Sprache. Wichtig war mir, all das zu erhalten. Trotzdem wollte ich einen Ton treffen, der Leserinnen und Leser der heutigen Zeit innerlich abholt und begeistert. Hierfür musste ich ganz in den Roman eintauchen und durfte dabei die Zielgruppe nicht aus den Augen verlieren. Es galt immer abzuwägen: nicht zu gestelzt für heutige Ansprüche, aber auch nicht zu modern, um Burney und der damaligen Zeit voll gerecht zu werden. Das hat mir eine Menge Spaß gemacht.

Ch. Wilms: Mir gefällt sehr, wie Sie es geschafft haben, den Stil der Zeit zu bewahren und den Text trotzdem ansprechend für den heutigen Lesegeschmack zu gestalten. Die erste Übersetzung ins Deutsche nahm Christian Friedrich Weiße bereits 1779 vor, haben Sie seine oder andere frühere Übertragungen während Ihrer »Evelina«-Übersetzung vergleichend hinzugezogen?

R. Scharpenberg: Weißes Übersetzung habe ich im Vorfeld gelesen und muss gestehen, sie war auch ein Grund, warum ich mich überhaupt für eine Neuübersetzung entschieden habe. Ich persönlich konnte darin weder Burneys einzigartigen Humor noch die feinsinnige Art wirklich wiedererkennen, mit der sie den verschiedenen Figuren durch Sprache und Gesten ihren unverwechselbaren Charakter verlieh. Einige Passagen fehlten auch ganz oder wurden falsch übersetzt. Da war für mich einfach nicht diese spürbare Leidenschaft des Originals, mit der Burney ihre schwungvollen, teils bissigen Dialoge gestaltete.

So etwas macht dann aus einem ursprünglich mutigen und scharfzüngigen Gesellschaftsporträt schnell den muffig-prüden Lebensbericht einer jungen Dame aus alten Zeiten. Doch dafür war mir diese völlig zu Unrecht vergessene Literaturperle viel zu schade. Weitere Übertragungen ins Deutsche existieren nicht. Meine ist die erste seit 1779.

Ch. Wilms: Sie haben »Evelina« nicht nur übersetzt, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Anmerkungen über historische Gepflogenheiten und Lokalitäten, die es heute nicht mehr gibt und die vielen LeserInnen daher fremd sein dürften. Wie viel Aufwand hat die zusätzliche Recherche erfordert? Oder spüren Sie, wenn Sie einen jahrhundertealten Roman übersetzen, sowieso den historischen Gegebenheiten nach – in diesem Fall denen des „wilden“ Regency? [4]

R. Scharpenberg: Ich bin jemand, der schon aus persönlicher Neugier den Dingen auf den Grund geht. Umfassendes Verständnis ist für mich unerlässlich, sonst bin ich nicht zufrieden. Außerdem denke ich bei all meinen Texten und damit auch bei Übersetzungen immer an die, die sie lesen sollen. Verwirrt ein Buch eher, als zu überzeugen, stockt der Lesefluss oder macht sich Orientierungslosigkeit breit, hätte man sich das Übersetzen ganz sparen können. »Evelina« ist auch eine Art kulturelle Reise durch das London (und Bath) des späten achtzehnten Jahrhunderts. Daher ist es wichtig, die historischen Hintergründe zu kennen und die Lokalitäten bzw. Attraktionen »aufzustöbern«, von denen im Roman die Rede ist.

Ich habe dazu sehr detailliert recherchiert, u. a. alte Theaterstücke und Fachliteratur über die damaligen Gärten herausgesucht, viel antiquarisches Material gelesen und so manches mehr. Ich finde, um sich beim Lesen ganz in die Zeit und die Geschichte hineinzuversetzen, braucht man all diese Zusatzinformationen für den vollen Genuss. Andernfalls würden nämlich viele (teils zweideutige) Anspielungen und ironische Seitenhiebe Burneys völlig unbemerkt an einem vorüberziehen. Will man das Beste aus ihren Werken herausholen, gehören solche Details einfach dazu.

Ch. Wilms: Ich war überrascht, wie sich die Menschen damals gebärdeten. Dabei fängt es beschaulich an: »Evelina«, ein junges, mittelloses, naives und wunderschönes Mädchen, ist wohlbehütet auf dem Lande in Kent bei Pfarrer Villars aufgewachsen. Ihre Mutter, die aus einer einfachen Händlerfamilie stammte, starb bei der Geburt, ihr adeliger und reicher Vater will augenscheinlich nichts von ihr wissen. Eine befreundete Familie lädt sie nach London ein und Evelina muss sich in den Trubel und die oft recht wüsten Sitten des gesellschaftlichen Lebens hineinfinden.

Unwissentlich verstößt sie gegen die Regeln der Etikette und muss erfahren, wie schutzlos ein Mädchen ohne gesicherte Herkunft oder reichen Hintergrund dem übergriffigen Benehmen von Wüstlingen ausgeliefert ist. Ihre geldgierige, egoistische und wenig feine Großmutter Mme. Duval verschlimmert Evelinas Lage noch: sie ist aus Paris nach London gereist und will Evelina zwingen, ihr väterliches Erbe einzuklagen.

Letztendlich schafft Evelina es aber doch, ihre eigenen Fehler zu überwinden und trotz aller Anfeindungen und Versuchungen ihre Würde und die Werte zu bewahren, die Villars ihr beigebracht hatte. Natürlich erobert sie ihren Traummann und kann sich mit ihrem Vater versöhnen. Klingt banal, ist es aber nicht. Frances Burney beschreibt ihre Absicht im Vorwort:

»Charaktere, wenn auch nicht aus dem Leben gegriffen, dennoch naturgetreu zu beschreiben und die Umgangsformen der Zeit zu schildern, ist das Ansinnen der folgenden Briefe.«

Burney, Frances, Evelina, 2022, Ditzingen, Seite 11

»Evelina«, ein Gesellschafts- und zugleich Coming-of-Age-Roman, zeichnet ein Sittenbild des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, wo man sich ungeniert ausschweifend und rau gebärdete – im Gegensatz zu der viktorianischen Gesellschaft, die ihre geheimen Gelüste hinter prüder Verklemmtheit und strengen Moralbegriffen verbarg. Als Leserin der viktorianischen Romane an einen anderen Stil gewöhnt, war ich zunächst entsetzt über die vulgäre Sprache und das ungehobelte Auftreten Kapitän Mirvans. Und erst sein unverblümt zur Schau gestellter Hass auf Franzosen und seine brutalen Übergriffe gegen sie!

Wie sind Sie beim Übersetzen mit dieser Figur zurechtgekommen? Möchte oder kann man sich in einen solchen Menschen hineinversetzen? Wie stark fühlen Sie sich generell beim Übersetzen in die Charaktere ein?

R. Scharpenberg: Als Übersetzerin genauso wie als Autorin eigener Romane und Geschichten kann ich mir für den richtigen Blickwinkel einen solchen Menschen durchaus bestens »bildlich« vorstellen, ohne mich innerlich mit ihm zu identifizieren. Wenn ich Figuren lebendig und authentisch darstellen will, gilt das für ausnahmslos alle, ob ich sie mag oder nicht. Darunter wird es immer solche geben, mit denen ich in der Realität sicher nichts zu tun haben will, denn das ist Leben.

Wahrscheinlich ist der ehrliche, gutaussehende und hilfsbereite Nachbar mit der süßen Dalmatinerdame den meisten innerlich näher als der notorische Lügner mit dem penetranten Mundgeruch, der jeden anschreit, der an seinem Fenster vorbeigeht. Und das ist noch ein sehr harmloses Beispiel. Vor allem die Tatsache, dass Letzterer einem zuwider ist, kann aber dabei helfen, dass man ihn sich besonders gut vorstellen kann.

Deshalb ist mir die Übersetzung, was Kapitän Mirvan anging, nicht schwerer gefallen als bei den anderen Figuren. »Evelina« lebt gerade von den enorm großen Unterschieden im Sprachstil und den Umgangsformen der einzelnen Personen … und das ganz bewusst unabhängig vom jeweiligen Stand.

Bestimmt hatte Burney genau diese allgemeine Abneigung gegen den Kapitän im Sinn. Er ist brutal, gemein, verhasst und intolerant gegenüber allem, was nicht in sein schräges Weltbild passt. Wüst und unreflektiert beleidigt er aus reiner Freude an der Bosheit beinahe jeden, sogar seine eigene Tochter. Er ignoriert, was ihn nicht interessiert, quält und demütigt Menschen bis aufs Blut. Gleichwohl sucht er sich trotz einiger Warnsignale nie unmittelbar Evelina als Zielscheibe aus, was aus meiner Sicht ein wirklich kluger Schachzug Burneys ist.

Es wäre sonst zu viel fürs Lesergemüt. Evelina hat im Laufe der Geschichte bereits genug an Anmaßung, Respektlosigkeit, Erniedrigung und Peinlichkeit zu ertragen und man darf nicht vergessen, dass es sich trotz allem um eine unterhaltsame Liebesgeschichte handeln soll. Gerade die sprachliche Abwechslung mochte ich besonders, auch wenn es teilweise sehr raue Töne sind. Ein großer Unterschied zum Beispiel zu Jane Austens Werken und von Burney als Frau in dieser krassen, teils satirischen Form sehr mutig.

Ch. Wilms: Frances Burney hat ihren Figuren individuelle Sprechweisen angedeihen lassen – je nachdem, ob sie voll Dummheit und/oder Standesdünkel stecken, ob sie von Geldgier oder Boshaftigkeit angetrieben werden oder aufrechte und kluge Menschen sind. Stellt das beim Übersetzen eine dramaturgische Herausforderung dar?

R. Scharpenberg: »Evelina« lebt genau von diesen sprachlichen Feinheiten. Eine völlig ordinäre Ausdrucksweise Madame Duvals, die in extremem Widerspruch zu dem Niveau steht, das sie selbst zu haben glaubt. Übertrieben eingestreute französische Begriffe und demütigende Bemerkungen Mr Lovels, um Evelina mit jedem Satz zu zeigen, dass sie »keine von ihnen« ist. Mrs Selwyns scharfe Zunge, die ihr den Ruf als abschreckendes Beispiel einer intelligenten Frau einbringt. Sir Clement Willoughby, der es versteht, sich sprachlich perfekt zu seinem Vorteil an die äußeren Umstände anzupassen.

Es gibt noch so viele weitere Figuren, die ihren (wahren) Charakter in ganz besonderer Weise durch Wortwahl und Stil zu erkennen geben. Als eingefleischter Sprachfan hat es mir unglaubliches Vergnügen bereitet, mich beim Übersetzen auf jeden davon individuell einzulassen.

Ch. Wilms: Immer wieder weist Frances Burney auf die unterdrückte Rolle der Frauen und den Balanceakt, den sie daraus resultierend vollführen mussten, hin. Ein schönes Beispiel sind die folgenden Zeilen, die Pfarrer Villars an seine Schutzbefohlene Evelina schreibt:

»Lass keine schwachen Ängste, keine scheuen Zweifel dich von der Ausübung deiner Pflichten abbringen, in dem Maße, wie die Natur sie deinem Verstand entsprechend in deinen Kopf eingepflanzt hat. Obwohl Sanftmut und Genügsamkeit die wesentlichen Merkmale deines Geschlechts sind, sind Stärke und Festigkeit, sofern die Situation sie erfordert, Tugenden, die bei Frauen wie Männern gleichermaßen edel und schicklich sind.«

Burney, Frances, Evelina, 2022, Ditzingen, Seite 283.

Es wäre wunderbar, auch die anderen Romane von Frances Burney zu lesen und mehr über das Leben damals zu erfahren – möchten Sie sie vielleicht für uns übersetzen?

R. Scharpenberg: Burneys Romane sind sehr umfangreich. Schon »Evelina« ist von beachtlicher Dicke und »Cecilia« ist weit mehr als doppelt so lang. Wenn man da über eine Veröffentlichung in deutscher Sprache nachdenkt, ist nicht nur der zeitliche Aufwand entscheidend. Je umfangreicher das Buch, desto höher sind zum einen die Kosten und zum anderen die Risiken, dass es sich eventuell nicht gewinnbringend verkauft. Burneys Werke sind wunderbar und vor allem »Cecilia« zählt zu meinen absoluten Lieblingsromanen. Ich habe jede Seite genossen, mit der Heldin gelitten, geliebt, gehofft und gekämpft.

Das Buch liest sich so fesselnd wie bestes Hollywoodkino und kann qualitativ zweifellos mit Austens »Pride and Prejudice« mithalten. Doch Burney war bisher im deutschsprachigen Raum nur wenigen ein Begriff und ein so umfangreiches Werk darf sich auch als Übersetzung auf dem Markt trotzdem nicht unter Wert verkaufen. Ich vermute, dass viele deshalb noch zögern und sich fragen, ob sich eine Übersetzung lohnt.

Ich finde, sie lohnt sich in jedem Fall. Deshalb hoffe ich, meine Übersetzung von »Evelina« hilft dabei, Burney wieder als ehemalige Bestsellerautorin ins Gedächtnis zu rufen. Da ich aber schwerpunktmäßig als Lektorin, Autorin und Texterin arbeite, würde mir ganz einfach die Zeit für eine solche Übersetzung fehlen. Ich gehe allerdings davon aus, dass sich bald jemand mindestens an »Camilla« heranwagen wird, wenn es nicht schon der Fall ist.

Ch. Wilms: Einige wenige Fragen über »Evelina« hinaus kann ich mir doch nicht verkneifen. Rebecca Scharpenberg, welche Autorin, welchen Autoren lesen Sie besonders gern, welches Genre bevorzugen Sie?

R. Scharpenberg: Um mich richtig zu packen, muss ein Buch gut durchdacht und in sich schlüssig sein. Vor allem muss es sprachlich und emotional auf ganzer Linie überzeugen. Englische Klassiker zum Beispiel faszinieren mich seit Langem. Begonnen hat das schon vor über zwanzig Jahren – wie bei so vielen mit Jane Austens Werken. Als ich all ihre Bücher mehrfach gelesen hatte, begann ich, nach anderen Autorinnen und Autoren ähnlicher Art zu suchen, und wurde zum Glück fündig.

Ob Fielding, Trollope, Edgeworth, Gaskell, Eliot, Hardy oder Thackerey, die Liste ließe sich noch weit fortsetzen. Natürlich zählt auch Frances Burney dazu. Sie alle haben ihren ganz eigenen Stil und ihre Romane sind für mich vor allem eins: literarische Meisterleistungen.

Natürlich lese ich bei Weitem nicht nur Klassiker und bin auch nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt, im Gegenteil. Gut durchdachte Krimis (gerne auch mit England-Bezug), Entwicklungsromane, Gesellschaftsporträts und niveauvolle Liebesgeschichten stehen genauso auf meiner Lieblingsliste wie die ein oder andere Fantasywelt.

Eine besondere Leidenschaft habe ich außerdem für Kinder- und Jugendliteratur. Sie begeistert mich beruflich wie privat – schon immer. Bilderbuchautoren wie Andreas H. Schmachtl (wo wir wieder beim Thema England wären) und Geschichtenköniginnen wie Antonia Michaelis sind pure Inspiration für jeden Erwachsenen, der die Finger nicht vom Schreiben und von guten Büchern lassen kann.

Ch. Wilms: Sie schreiben gerade an einem Buch – dürfen wir schon etwas darüber erfahren?

R. Scharpenberg: Ja, ich schreibe an einem Roman oder, besser gesagt, ich bin schon dabei, mein fertiges Manuskript zu überarbeiten. So viel kann ich verraten: Er spielt nicht in England, aber im englischsprachigen Raum und hat so gar nichts mit Klassikerliteratur zu tun. Auch wenn es sich um eine rein fiktive Liebesgeschichte handelt, existieren die kulturellen Hintergründe und die Orte tatsächlich. Daher habe ich in den vergangenen anderthalb Jahren sehr viel dazu recherchiert.

Wenn ich schreibe, will ich, dass einfach alles passt – dass es sich echt anfühlt: Handlung, Figuren, Atmosphäre. Da muss etwas mitschwingen, das einen beim Lesen eintauchen und immer dabei sein lässt.

Evelina

Ch. Wilms: Sie lektorieren Bücher, viele Selfpublisher wenden sich an Sie oder wären gut beraten, es zu tun. Ich staune immer wieder über mich und meine vermeintliche Rechtschreibfestigkeit, wenn ich meine Texte lektoriert zurückbekomme… Ich glaube, man kann gar nicht oft genug für die Notwendigkeit des Lektorats appellieren!

R. Scharpenberg: Wer als Autor auf dem Literaturmarkt ernst genommen werden will, kommt um ein professionelles Lektorat nicht herum. Das gilt für Selfpublisher, aber auch für Verlagsautoren – für Debütanten genauso wie für alte Bücherhasen. Denn die Betriebsblindheit beim Schreiben ist leider kein Mythos, sondern ein Geschenk unseres Gehirns, das es in diesem Fall leider etwas zu gut mit uns meint.

Wer ein Buch schreibt, steckt selbst mit Leib und Seele in seiner Geschichte oder brennt für sein Sachbuchthema. Klammheimlich nutzen die Ungereimtheiten bei Charaktereigenschaften, Örtlichkeiten, Handlungen und Co. die Hintertür. Und wir lesen im eigenen Text ganz deutlich ein »n«, das in Wirklichkeit nicht existiert.

Je länger der Text, desto höher die Chance, sich in einem der zahlreichen Fallstricke zu verheddern. Wer noch unerfahren ist, neigt außerdem zu vielen typischen Fehlern in Grammatik, Rechtschreibung, Interpunktion und Typografie, die in einer professionellen Veröffentlichung zu den No-Gos zählen. Auch die Struktur will gelernt sein. Und wer zum Beispiel durch falsche Tonalität seine Zielgruppe verfehlt, kann noch so tolle Ideen haben – sie werden nicht auf Leser treffen.

Falls sich jemand bei einem Verlag oder einer Agentur bewerben möchte, sollte er unbedingt wissen: Verlagslektoren haben bei Weitem mehr Aufgaben als die Fehlerkorrektur. Eine gute Vorarbeit des Autors wird daher auch hier erwartet. Dabei sehr gern gesehen: Hilfe einer freien Lektorin wie mir.

Als Lektorin hole ich Autoren mit ihren Manuskripten und Exposés dort ab, wo sie wirklich stehen und sich meine Unterstützung wünschen. Beim einen lässt sich an Inhalt und Stil noch feilen. Der andere braucht den Blick von außen für den formalen Feinschliff. Wer kein vollständiges Lektorat benötigt, kann sich alternativ auch einfach für ein Manuskriptgutachten entscheiden. In jedem Fall gilt: immer gemeinsam fürs gute Buch.

Ch. Wilms: Wie können selbstveröffentlichende AutorInnen mit Ihnen in Kontakt treten?

R. Scharpenberg: Auf meiner Website www.worteule.de finden Selfpublisher, Verlagsautoren, Verlage und Agenturen Informationen über mich und meine Leistungen. Wer sich ein Angebot wünscht oder einfach noch mehr erfahren möchte, erreicht mich entweder über das Kontaktformular oder am besten direkt per E‑Mail. Gerne beantworte ich individuelle Fragen rund um Lektorat, Korrektorat, Manuskriptgutachten und Texterstellung.

Außerdem gebe ich als Worteule® auf LinkedIn® in regelmäßigen Beiträgen Tipps aus Profihand zu den Themen Lektorat, Bücher, kreatives Schreiben und Sprache. Mein Profil:

https://www.linkedin.com/in/rebecca-scharpenberg-worteule/ [2]

Ch. Wilms: Herzlichen Dank an Rebecca Scharpenberg – für die deutsche Übersetzung von »Evelina« und die Zeit, die Sie sich für dieses Interview genommen haben.

R. Scharpenberg: Auch von meiner Seite ein Dankeschön. Es war mir eine Freude.

»Evelina« – Quellen und Weblinks

[1] Vorstellung des Romans »Belinda« auf Meine Leselampe -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/belinda/

[2] Weitere Informationen über Frances Burney, vgl. Wikipedia, Fanny Burney, 14. April 2023, online: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Fanny_Burney&oldid=232822074 [2.10. 2023]

[3] Wer wurde als Blaustrumpf bezeichnet? Vgl. Wikipedia, Blaustrumpf, 8. September 2023, online: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Blaustrumpf&oldid=237137797 [2.10. 2023]

[4] Das wilde Regeny in »Im Rausch des Vergnügens«, auf Meine Leselampe -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/im-rausch-des-vergnuegens/

»Evelina« – Mein Leseexemplar

Frances Burney, »Evelina«, Roman, 553 Seiten, übersetzt von Rebecca Scharpenberger, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Mascha Hansen, erschienen 2022 im Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Ditzingen.

»Evelina» – Nachtrag/Aktualisierung

[1] Rebecca Scharpenberg heißt mittlerweile Rebecca Bächli.

[2] Hier ihr aktueller Link auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/rebecca-b%C3%A4chli-worteule?miniProfileUrn=urn%3Ali%3Afs_miniProfile%3AACoAAD2qghgB0yxF57G2irBhVZ_k1cTGu3OWCEQ&lipi=urn%3Ali%3Apage%3Ad_flagship3_search_srp_all%3BsnQJ%2FS4wRImrdgpa1Kliqg%3D%3D

Dieser Beitrag wurde am 21.10.2024 bearbeitet.

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Evelina