„Gavroche“ – eine Einleitung

Die Erzählung „Gavroche“ mit dem Untertitel: „Die Geschichte eines Pariser Jungen 1832“ wurde aus einzelnen Episoden von „Les Misérables“ zusammengestellt und als Kinder- und Jugendbuch veröffentlicht.

Gavroche- Erzählung aus Les Misérables (1862)

Victor Hugo, der „französische Viktorianer“, schrieb 17 Jahre an „Les Misérables“, die meiste Zeit im Exil auf der britischen Kanalinsel Guernsey. 1845 begann Hugo sein fünfbändiges Werk „Les Misérables“, 1862 wurde der Roman veröffentlicht.

(Blick auf die Rousse-Bucht, Guernsey, Foto Pixabay)

„Gavroche“ – zum Inhalt

Es ist das Jahr 1832, das Jahr der Arbeiteraufstände in Paris. Seit der Französischen Revolution von 1789 (bis 1799) hat sich an der Not der armen Bevölkerung nicht viel verbessert. Hunger und Elend herrschen nach wie vor in den Straßen von Paris. Dort, unter den Elenden, Kranken, Hungernden, Bettlern und Ganoven, lebt Gavroche. Der elfjährige Junge ist obdachlos, denn seine heruntergekommenen Eltern, die Thénardiers, haben ihn verstoßen.

„Er trug eine Männerhose und die Unterjacke einer Frau. Irgendwelche Leute hatten ihm die Sachen aus Mitleid geschenkt. […] sein Vater hatte ihn vergessen, und seine Mutter mochte ihn nicht leiden. Er war eines jener erbarmungswürdigen Kinder, die Vater und Mutter haben und trotzdem Waisen sind.“

Seite 5 aus: Victor Hugo, „Gavroche“ (Les Misérables), 159 Seiten (mit Nachwort und Anhang), erschienen 1982 im Elefanten-Press-Verlag, West-Berlin, siehe unten.

Ein trauriges Schicksal, doch Gavroche mag sein freies Leben in den Gassen von Paris, er kennt es nicht anders. Immer hat er ein lästerliches Liedchen auf den Lippen, ist um Schimpfworte oder Respektlosigkeiten im schönsten Argot (französische Gaunersprache, vgl. unser Rotwelsch) nicht verlegen.

Schutz vor Regen und Kälte findet er in einem baufälligen Konstrukt aus Holz und Gips: dem Elefanten auf dem Platz der Bastille. Sein Essen verdient er sich mit kleinen Gaunereien oder er klaut oder bettelt es sich zusammen.

Ihr seht, Gavroche ist mit allen Wassern gewaschen und weiß sich zu helfen. Trotzdem muss auch Gavroche oft hungern, die Zeiten sind erbärmlich. Sein gutes Herz hat er dennoch nicht verloren, er hilft, wo es nötig ist – ein französischer Robin Hood in Miniatur-Ausgabe mit großem Gerechtigkeitssinn.

Seinen kleinen Brüdern bietet er Unterschlupf (ohne zu wissen, wer sie sind), seinen kriminellen Vater rettet er bei dessen Flucht aus dem Gefängnis, dem alten Vater Mabeuf lässt er eine gestohlene Geldbörse zukommen (eigentlich wollte er ja die Äpfel des Alten stehlen!). Die Barrikadenkämpfer unterstützt er beim Widerstand gegen die Nationalgarde, oh, da ist Gavroche einer der Tapfersten und ganz vorn mit dabei – nicht ohne Folgen…

„Gavroche“ – über den Autor

Der französische Schriftsteller Victor Marie Hugo, geboren 1802 als Offizierssohn in Besançon, gestorben 1885 in Paris als Nationalheld, setzte sich zeitlebens gegen die sozialen Missstände in seinem Heimatland ein.

Denn er erlebte Napoleon, Ludwig XVIII., Karl X., Louis Philippe und Napoleon III. und die Nichtigkeit ihrer Versprechungen an das Volk.

Stand er als junger Literat zunächst dem französischen Monarchen Ludwig XVIII. nahe, änderte er seine Haltung bald angesichts des unverminderten Elends der Bevölkerung unter der bourbonischen Herrschaft. Ab 1830 schloss sich Victor Hugo den Protesten gegen Karl X. an und blieb von da an im Widerstand gegen Willkür und Ausbeutung – ob politisch als Abgeordneter oder schreibend als sozialkritischer Autor aus dem Exil. Denn immer wieder musste er sein Heimatland Frankreich verlassen.

Nachdem er auch aus Brüssel und Jersey verwiesen wurde, fand Victor Hugo auf der Insel Guernsey in St. Peter Port eine sichere Bleibe für sich und seine Familie. Hier entstand unter anderem der Hauptteil seines Werkes „Les Misérables“, der Straßenjunge Gavroche ist nur einer der vielen verzweifelten Helden des Romans, die ihr Leben riskieren, um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit endlich durchzusetzen.

Erst 1873 konnte Victor Hugo endgültig nach Paris zurückkehren und wurde dort begeistert empfangen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1885 blieb er politisch aktiv, wenn auch mit wenig Erfolg.

Sein literarisches Vermächtnis ist überwältigend: Romane, Gedichte, Erzählungen, Essays, Dramen, Kampflieder, Reden…Weltweit bekannt sind „Der Glöckner von Notre Dame“ und „Les Misérables“. Hugo begründete die französische Romantik und ist einer ihrer vielseitigsten und bedeutendsten Vertreter.

Übrigens: der britische Schriftsteller Charles Dickens traf bei einem seiner Paris-Aufenthalte 1846 Victor Hugo. Kämpften auch beide als gesellschaftskritische Autoren in ihren Werken für die gleichen Ideale, erwähnte Dickens in seinen Briefen und Aufzeichnungen Victor Hugo mit keinem Wort.

(Bild links: David Mark/Pixabay)

Hatte Dickens Sorge, dass er sein eigens Ansehen schmälern könnte, wenn er den französischen Kollegen würdigte? (Quelle: Hans-Dieter Gelfert: Charles Dickens, der Unnachahmliche, Verlag C.H.Beck, München, 2011)

Schade, denn mit „Eine Geschichte aus zwei Städten“ hat Charles Dickens sich ebenso gegen Tyrannei der Mächtigen in Frankreich (stets mit einem kleinen Seitenhieb auf England) eingesetzt wie Victor Hugo mit „Gavroche“, bzw. „Les Misérables“… Siehe Meine Leselampe unter: https://www.meineleselampe.de/eine-geschichte-aus-zwei-staedten/

„Gavroche“ – mein Fazit

„Gavroche“, Die Geschichte eines Pariser Jungen 1832, ist ein idealer Einstieg für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen in Victor Hugos Meisterwerk „Les Misérables“. Schonungslos veranschaulicht Victor Hugo das Elend der armen Bevölkerung Frankreichs, an dem sich auch über 30 Jahre nach der Französischen Revolution nichts geändert hatte.

„Das Buch „Die Elenden“ ist für alle Völker geschrieben. […] Überall dort, wo Menschen in Unwissenheit und Verzweiflung leben…überall dort, wo ein Kind leidet, wo ihm die Bücher zum Lernen fehlen und ein Heim, das es erwärmt, überall dort klopft mein Buch an die Türe und spricht: Macht mir auf, ich bin zu Euch gekommen. […] „

Seite 155, Briefzitat in dem Nachwort von Dr. Edith Zenker zu Victor Hugo, „Gavroche“ (Les Misérables), 159 Seiten (mit Nachwort und Anhang), erschienen 1982 im Elefanten-Press-Verlag, West-Berlin, siehe unten.

Die Hungernden und Verfemten hebt Hugo aus der damals ungeheuer großen und somit anonymen Masse und zeigt sie als Menschen, verewigt sie als Helden. Gavroche, ein ungeliebtes Straßenkind und wahrlich kein unbeschriebenes Blatt, erobert die Herzen seiner Leser nicht über die Mitleidschiene, sondern weil er sich vom Schicksal nicht hat brechen lassen.

„Gavroche“ ist unbedingt lesenswert!!!!! Danach am besten gleich weitermachen mit „Les Misérables“… Oder es noch einmal lesen.

„Gavroche“ – mein Lese-Exemplar

gavroche

Victor Hugo, „Gavroche“- Die Geschichte eines Pariser Jungen 1832, Erzählung, 159 Seiten (inclusive des hervorragenden Nachwortes und eines erklärenden Anhangs), übersetzt aus dem Französischen von Paul Wiegler, zusammengestellt und bearbeitet von Dr. Edith Zenker und Alice Sellin, erschienen 1982 im Elefanten-Press-Verlag, damals noch West-Berlin.

Es lohnt sich jedoch, gleich „Les Misérables“ von Victor Hugo selbst zu lesen, aus diesem Roman wurde die Geschichte von Gavroche „extrahiert“.

„Gavroche“ / Victor Hugo – Quellen und Weblinks

Bloggerin Anne-Marit Strandborg: https://was-in-der-ddr-gelesen-wurde.blogspot.com/2020/07/victor-hugo-gavroche.html

Who’s Who-Verlag: https://whoswho.de/bio/victor-hugo.html

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