Schweinchen Robinson als Ostergast auf Meine Leselampe – eine kleine Ergänzung zur saisonalen Hasenliteratur -> https://www.meineleselampe.de/meine-leselampe-vorschau-22-kw-14-robinson/.
Inhalt
„Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“ – Einleitung
Beatrix Potter, die Autorin und Illustratorin so vieler zauberhafter Kinderbücher, ist in dieser Jahreszeit meist mit ihren Geschichten von Peter Hase präsent.
(Bild links: GDJ/Pixabay)
Wie wäre es zur Abwechslung mit einer Potter-Erzählung über die wahrhaft abenteuerlichen Erlebnisse eines rosa Schweinchens, mit dicken Pausbacken, üppigem Doppelkinn und einem schicken silbernen Ring in der Nase? Das in arge Kalamitäten gerät, weil es so schlecht „Nein“ sagen kann? Und das sich dank der Hilfe eines pfiffigen Katers retten kann?
Ja?! Dann seid Ihr hier richtig – los geht’s… ich mache Euch zunächst mit den sehr reizenden und den weniger reizenden Mitwirkenden bekannt!
„Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“ – personae dramatis & loca agendi
Vorweg: wir sind in Devonshire [1] im Südwesten Englands zu Gast,
zunächst verweilen wir kurz bei den braven BewohnerInnen des Hafen- und Fischerstädtchens Trogmünde:
- Susanna, eine weiße Katze, ihr rheumakrankes Frauchen Betty und deren Mann, der Fischer Simon,
- Stoppel, ein Hund und Erbe seines verstorbenen Herrchens, der mit dem Retriever Bob, dem Kater Parzival und der Haushälterin Frau Rosa zusammen lebt,
sowie Zilly Ziegeline (richtig: eine Ziege), Frau Hochnäs (nebst Tochter Sarah Polly und deren Freundin), der alte Krämer Herr Mummel (der Hase wird von Schweinen geschätzt, da er keine „Angehörigen“ im Sortiment führt), Frau Flausche Flock (Schaf und chaotische Wollhändlerin)
- und die Damen Goldfink (ihr Name steht für ihre Gattung) in „Der zufriedene Zeisig“ .
(Bild rechts: stevenunderhill/Pixabay)
Just zu der Zeit, da in Trogmünde Markt abgehalten werden soll, hat das Schiff „Pfundskerze“ angelegt, an Bord sind unter anderem:
- Kapitän Barnabas Schnetzel (der Name ist ja schon ein schlechtes Omen für Schweine!!!),
- sein Schweine-Verhängnis planender Schiffskoch
- und ein bernsteinfarbener Kater (der Omen und Verhängnis abwenden wird).
Last but not least machen wir einen Abstecher zu den BewohnerInnen des Wutzwinkel-Pökelhofes:
- der süße Schweinejunge Robinson, im Gegensatz zu seinem Kollegen Peter Hase brav und bestens erzogen und seine Tanten:
- die reizende Schweinedame Frau Grunz, wohlgerundete Hühnerhalterin,
- die ebenso reizende Schweinedame Frau Schlunz, wohlgerundete Wäscherin.
„Die beiden spielen in dieser Geschichte allerdings keine so große Rolle. Sie führten ein zufriedenes, ereignisloses Leben, das als Schinken endete.“
Seite 25 aus Potter, Beatrix, „Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“, Düsseldorf 2003.
Ach, schade!
Und dann wird eine bisher unbewohnte tropische Insel namens Bongbaum-Land eine gewichtige Rolle spielen…
(Bild links: deeezy/Pixabay)
„Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“ – zum Inhalt
Nachdem wir die wichtigsten Akteure und Orte vorgestellt haben, kann ich Euch ein bisschen aus „Der Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“ erzählen, sofern Ihr überhaupt wissen möchtet, warum die Katze Susanna ein rosa Schweinchen auf dem Deck eines Schiffes herumtollen sieht und warum ein ebensolches Schweinchen (viel später) auf der Insel Bongbaum-Land haust.
Ihr möchtet? Gut!
Das kleine Schweinchen Robinson wird eines Tages von seinen Tanten – wenn auch schweren Herzens – allein auf den Markt geschickt. Sonst fahren Frau Schlunz und Frau Grunz ja mit dem Fuhrmann im Eselskarren auf den Markt. Der Karren ist jedoch gerade kaputt und die Tanten sind zu dick, um sich durch die Zauntritte zwängen zu können. Nein, pardon, das habe ich falsch erklärt: die Zauntritte sind zu schmal, nicht die Tanten zu dick!!
Es hilft also nichts, Robinson muss gehen, um die Eier, den Blumenkohl und die Narzissen des Hofes zu verkaufen und den Tanten diverse Waren mitzubringen.
„Oink, oink“, Robinson macht sich frohgemut mit Marmeladebroten zur Stärkung und dem gut gefüllten Korb auf den Weg.
(Bild rechts: audreyweb/Pixabay)
In Trogmünde gelingt es ihm, mit Unterstützung und dem Wohlwollen einiger der schon vorgestellten Anwohner, seine Waren zu verkaufen und trotz einiger Pannen auch fast alle aufgetragenen Besorgungen zu ergattern.
Bei den Damen Goldfink stärkt sich Robinson mit einem Tässchen Tee, sie organisieren für seinen Heimweg eine Mitfahrgelegenheit und bei ihnen darf er seinen schweren Korb abstellen, bis er die Kohlsamen aufgetrieben hat, die ihm noch fehlen. Die soll es in einem kleinen Laden am Trogmünder Hafen geben.
Auf dem Weg dorthin wird Robinson von einem Matrosen angesprochen, der ihm eine Prise Schnupftabak spendiert (Pech, wenn ein kleines Schweinchen nicht „nein“ sagen kann) und der ihn zu dem Laden mit Kohlsamen führen will. Statt dessen lotst er den arglosen Robinson zum Schiff „Pfundskerze“. Schweinchen und Schiffskoch (denn genau das ist der Matrose) begegnen noch einigen Bürgern Trogmündes, die sind aber zu beschäftigt oder abgelenkt, um Robinson warnen zu können.
So landet Robinson auf der „Pfundskerze“, nicht ahnend, dass der Schiffskoch ihn als Schweinebraten zum Geburtstag von Kapitän Barnabas Schnetzel servieren will.
In den kommenden Tagen und Wochen auf hoher See mangelt es Robinson an nichts, er darf fressen soviel er will, das macht unser Schweinchen gern. Und wird immer runder und runder.
Der bernsteinfarbene Kater deutet ab und zu an, Robinson solle nicht so viel fressen, aber unser Schweinchen schiebt solch trübsinnige Mahnungen auf den Liebeskummer des Katers. Der verzehrt sich nach seiner Eulendame, die jedoch mit einem anderen Schiff in nördlichere Breiten unterwegs ist.
Eines Tages begreift auch Robinson endlich, was hier vor sich geht. Zwei Matrosen unterhalten sich über ihn – als Schweinebraten anlässlich des Geburtstages des Kapitäns.
Nicht verzagen, Robinson! Der Kater ist schlau und weiß einen Ausweg. Als das Schiff ist in der Nähe der tropischen Bongbaum-Insel ist und alle Besatzungsmitglieder Karten spielen, beladen er und Robinson leise ein Beiboot mit allem, was zum Überleben auf einer Insel vonnöten ist.
Robinson rudert tapfer los, der Kater sticht Löcher in die verbleibenden Beiboote. Ha, als die Matrosen bemerken, dass der leckere Schweinebraten entkommen ist, verfolgen sie ihn, müssen aber bald aufgeben, denn ihre Ruderboote sind leck.
Robinson erreicht am nächsten Tag unversehrt Bongbaum-Land. Stellt Euch vor, dort wachsen alle Köstlichkeiten dieser Welt!!!
(Bild links: deeezy/Pixabay)
„Wenn ihr mehr über die Insel erfahren wollt, müsst ihr Robinson Crusoe lesen. Die Bongbaum-Insel war fast genauso wie die von Robinson Crusoe, bloß ohne deren Schattenseiten.“
Seite 118 aus Potter, Beatrix, „Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“, Düsseldorf 2003.
So nimmt es nicht wunder, dass Robinson auf der Insel bleibt bis ans Ende seiner überaus glücklichen Schweinchen-Tage.
„Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“ – mein Fazit
Ich bin nun schon sehr sehr lange erwachsen und liebe trotzdem dieses Kinderbuch aus dem Jahre 1930. Beatrix Potter lässt in ihren Texten so zauberhafte Bilder entstehen, dass ihre ebenso zauberhaften Illustrationen gar nicht notwendig wären (aber gut, dass es die auch gibt). Potters Worte höre, sehe, rieche ich:
„Um ein bisschen auszuruhen, setzte sich Robinson auf ein sonniges, geschütztes Plätzchen an einer Hecke. Über ihm blühten gelbe Weidenkätzchen, an der Böschung wuchsen zahllose Schlüsselblumen und ein warmer Geruch von Moos und Gras und dampfend feuchter roter Erde umgaben ihn.“
Seite 34/36 aus Potter, Beatrix, „Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“, Düsseldorf 2003.
Beatrix Potter führt uns durch ihre Erzählung, schafft gleich zu Beginn Authentizität durch die Bemerkung, sie sei in ihrer Kindheit oft in Trogmünde gewesen. Oder wenig später durch ihre Erinnerung an die Enten der Gegend, die Federbüschel ähnlich schottischen Mützen auf dem Kopf tragen.
Aha, da erzählt jemand, der sich dort auskennt, Schlussfolgerung: Trogmünde und den Wutzwinkel-Pökelhof gibt es. Punkt. Schweinchen Robinson und seine tierischen und menschlichen Kollegen existieren dann selbstverständlich auch.
Potters Texte sind niemals kindisch, sondern auf kindgemäße Art erwachsen. Sie nimmt die Kinder ernst, für die sie die Schweinchen-Robinson-Erzählung ersonnen hat und traut ihnen große Verständigkeit zu. Sie spricht mit und zu ihnen auf Augenhöhe.
Geschickt sorgt Potter dafür, dass der Spannungsbogen erhalten bleibt, die Konzentration der Kinder nicht nachlässt. Sie deutet Ereignisse an, die sie erst später aufgreift oder spricht über Akteure, die sie erst viel weiter hinten im Text einführt.
Oder lässt Robinsons Tanten Grunz und Schlunz wie beim „Ich-packe-meinen-Koffer“-Spiel die Dinge aufzählen, die sie aus Trogmünde mitgebracht haben wollen. Soll das eine Anregung für Vorlesende sein, eine kleine Spiel-Pause einzulegen?
Eine liebevolle, lebendige, kluge, lustige, abwechslungsreiche Erzählung um ein kleines Schweinchen, eine schöne und empfehlenswerte Oster-Lektüre für Kleine und Junggebliebene. Um mit Robinson zu sprechen: „Oink!!“
„Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“ – zur Autorin
Die bis in unsere Tage beliebte und zu recht ge- und berühmte Kinderbuchautorin und Illustratorin Beatrix Potter [2] wurde 1866 in London geboren. Als Tochter eines Anwalts gehörte sie zur gehobenen Mittelschicht und wurde demgemäß erzogen. Sie wurde daheim von Gouvernanten unterrichtet, lernte viel über Kunst, Literatur, Sprachen und Wissenschaft. Ein einsames, aber gebildetes Kind. Wie ihr Bruder liebte Beatrix Tiere, beide durften zahlreiche Haustiere halten und pflegen. Früh fiel Beatrix‘ großes Zeichentalent auf und wurde von den Eltern gefördert.
Als junge Frau führte sie das langweilig-behütete Leben einer Tochter aus besserem Hause mit den obligatorischen gesellschaftlichen Verpflichtungen. Sie stand sehr unter der Ägide ihrer Mutter, die einen geeigneten Heiratskandidaten suchte. Um unabhängiger zu werden und die Langeweile zu vertreiben, versuchte Beatrix Potter, mit ihren Aquarellzeichnungen eigenes Geld zu verdienen. Sie begann mit Grußkarten, entwickelte sich weiter und hatte Erfolg mit botanischen und geologischen Zeichnungen und Lithographien. Dazu muss ich leider bemerken, dass oft ein männlicher Verwandter vorgeschickt wurde, um die Werke Potters vorzustellen, denn Frauen waren damals nicht geschäftsfähig.
Ihre Kinderbücher veröffentlichte Beatrix Potter erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts, den Grundstein dafür legte sie jedoch ein Jahrzehnt früher: in den 1890ern schrieb sie zauberhafte Briefe mit selbst ersonnenen Geschichten und eigenen Illustrationen an die Kinder von Verwandten und Bekannten.
Die heute weltberühmte Geschichte von Peter Hase gab Potter 1901 zunächst auf eigene Kosten heraus, bis sich der Verlag Frederick Warne & Company dafür interessierte und „Die Geschichte von Peter Hase“ 1902 in größerer Auflage auf den Markt brachte. Beatrix‘ Zuneigung zu einem der Söhne des Verlagshauses stieß bei ihren standesbewussten Eltern auf heftigen Widerstand. Zwar kam es trotzdem zu einer Verlobung, doch der junge Mann war krank und starb kurz darauf. Erst im Alter von 47 Jahren heiratete Beatrix Potter den Anwalt William Heelis.
Obwohl sie zu dem Zeitpunkt eine erfolgreiche Kinderbuchautorin mit eigenem Vermögen war, eine Schaffarm betrieb und sich umwelt- und wirtschaftspolitisch engagierte, wollten ihre Eltern die Hochzeit zunächst nicht gestatten. Die familiäre Abhängigkeit sowie die beruflichen und wirtschaftlichen Beschränkungen lediger Frauen – egal welchen Alters – waren bedrückend.
Obwohl es Beatrix Potter nie vergönnt war, eigene Kinder zu haben, konnte sie sich wunderbar in deren Welt versetzen, ihre 33 Kinderbücher (soviel habe ich gezählt) zeugen bis heute davon.
1943 starb Beatrix Potter. Ihren Grundbesitz im Lake District hinterließ sie dem National Trust. Heute können Interessierte und Fans ihr Haus nahe Windermere besuchen [3].
„Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“ – mein Lese-Exemplar
Beatrix Potter, „Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“, 119 Seiten, mit zahlreichen Illustrationen der Autorin, aus dem Englischen übersetzt von Cornelia Krutz-Arnold, erschienen 2003 im Sauerländer Verlag, Düsseldorf.
„Die Geschichte vom kleinen Schweinchen Robinson“ – Quellen & Weblinks
[1] über Devon(shire) -> https://de.wikipedia.org/wiki/Devon_(England)
[2] vgl. Beatrix Potters Biographie -> https://de.wikipedia.org/wiki/Beatrix_Potter
[3] vgl. National Trust ->https://www.nationaltrust.org.uk/features/visit-beatrix-potters-house