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„Das Heimchen am Herd“ – Einleitung
„Das Heimchen am Herd“, OT: „The Cricket on the Hearth“, ist ein weiteres viktorianisches Weihnachtsmärchen aus der Feder des großen Charles Dickens. Weihnachten 1845 wurde es erstmals veröffentlicht, am 20. Dezember, um genau zu sein.
Dickens untertitelte sein Werk mit „Eine häusliche Feengeschichte“, denn das Heimchen, ein sonst recht unromantisches Insekt der Spezies Grille, hat bei ihm feenhafte Macht, ist der gute Geist eines Hauses.
Also, solltet Ihr mal ein Grille daheim haben, bitte nicht jagen oder gar Endgültigeres damit machen…
(Bild links: maritsch28/Pixabay)
Zunächst möchte ich Euch die Darsteller der feenhaften Handlung vorstellen:
da haben wir die junge Dot Peerybingle, klein, hübsch, mollig und mit vielen Grübchen. Ihr Ehemann John Peerybingle ist groß, schlaksig, ein wenig schwerfällig, gutmütig, um einiges älter als seine Frau und Fuhrmann (Kärrner) von Beruf.
Die Peerybingles haben ein Baby, von Dickens das Bübchen genannt, und einen Hund, Boxer (Name und auch wohl Rasse).
Bei ihnen lebt Tilly Slowboy, eine dürre, ungeschickte und augenscheinlich etwas einfältige Waise, glücklich, der Fürsorge entronnen zu sein.
Das „Haar in der Dickens’schen Suppe“ (sozusagen) gibt im „Heimchen am Herd“ der ältere, hässliche, herzlose, wohlhabende Spielzeughändler Tackleton, der weder Kinder noch Spielzeug mag.
Für ihn arbeiten unter unwürdigen Bedingungen der alte Kaleb Plummer und seine blinde Tochter Bertha. Plummer schildert seiner Tochter das ärmliche Zuhause und seine abgerissene Kleidung stets in den schönsten Bildern. So lebt Bertha mitten in und doch fern der hässlichen Realität.
Ferner spielen mit: ein alter und tauber Fremder, die junge und schöne May Fielding und deren nörgelige und arrogante Mutter Mrs. Fielding und zum guten Schluss treten noch Dots Eltern auf.
Jetzt aber zu der Handlung in drei Kapiteln, die Charles Dickens in seiner Weihnachtsgeschichte „Das Heimchen am Herd“ mit Erstes.., Zweites.., Drittes Gezirpe betitelt.
„Das Heimchen am Herd“ – Erstes Gezirpe
Hier lernen wir das häusliche Glück der Peerybingles kennen. Es ist kalter Winter, aber im Hause summt behaglich der Kessel und zirpt ein Heimchen. John Peerybingle kommt heim von seiner täglichen Fuhrfahrt, diesmal hat er außer den Paketen für die Nachbarn einen alten und tauben Mann dabei, noch recht gut aussehend und höflich. Er möchte bei Peerybingles auf jemanden warten, der ihn abholt. Das wird ihm freundlich gewährt.
Eine gemütliche Szene: Tilly hütet das Bübchen, John und Dot preisen das Heimchen als guten Geist ihrer Ehe und ihres gemeinsamen Glücks. Kaleb Plummer schaut vorbei, um ein Rosenstöckchen abzuholen, dass er seiner Tochter schenken will. Wir erfahren, dass er einst einen Sohn hatte, der in Südamerika gestorben ist. Tackleton, der reiche und zynische Spielwarenhändler kommt auch, er möchte seine Hochzeitstorte mitnehmen. Aus einer Laune heraus wird er May heiraten, eine Freundin Dots aus Jugendtagen. Das Ehepaar Peerybingle möchte Tackleton am Vorabend der Hochzeit einladen, sie sollen May als Beispiel dienen, wie gut eine Ehe mit großem Altersunterschied funktionieren kann.
Plötzlich schreit Dot laut auf, der fremde Alte hatte sich ihr genähert, um sich am Feuer zu wärmen. Dot ist plötzlich wie ausgewechselt, sie lacht und weint abwechselnd, will aber nicht sagen, was mit ihr los ist. Der Ehemann ist besorgt, Tackleton wird misstrauisch. Von Kaleb möchte er wissen, wer der alte Mann ist. Ohne die Frage klären zu können, machen sich die beiden auf ihren Heimweg. Der Fremde entschuldigt sich für den Schrecken, den er Dot bereitet hat und bittet um bezahlte Unterkunft für eine Nacht, da sein Begleiter heute wohl nicht mehr komme.
Etwas später am Abend: John Peerybingle grübelt über die vorherige Szene nach, in ihm ist ein Argwohn erwacht, den er aber nicht recht begreifen kann. Wir verlassen ihn und seine Frau, als sie traulich am Herd sitzen: Peerybingle schmaucht seine Pfeife, die Dot ihm gestopft hat und träumt von ihr und ihrem gemeinsamen Leben. Das feenhafte Heimchen zirpt beruhigend, und doch – es ist ein Schatten da.
„Das Heimchen am Herd“ – Zweites Gezirpe
Wir betreten die armselige Unterkunft von Kaleb Plummer und seiner Tochter Bertha. Beide stellen Spielzeug für Tackleton her. Auch bei ihnen lebt ein Heimchen am Herd, dessen tröstendes Zirpen Kaleb gute Gedanken eingibt. So hat er seine Tochter in dem Glauben erzogen, in einem wunderbaren Haus zu leben und einen prächtig gekleideten Vater zu haben (in Wirklichkeit bröckelt der Putz von den Wänden und trägt Kaleb Sackleinwand).
Die Grobheiten des reichen Spielzeughändlers bezeichnet er Bertha gegenüber als sarkastische Scherze, mit denen ihr etwas sonderlicher Gönner lediglich seine Güte überspielen wolle. Das hat fatale Folgen, wie ihr gleich sehen, pardon, lesen werdet. Tackleton tritt ein und erzählt von seiner bevorstehenden Hochzeit mit May. Bertha beginnt zu begreifen, dass nicht er ihr das Rosenstöckchen geschenkt hat, wie Kaleb es ihr vorgegaukelt hatte. Und dass Tackleton sie weder mag noch ihre Gefühle für ihn erwidert. Kaleb erkennt, dass es ein großer Fehler war, Bertha nicht die Wahrheit zu sagen. Er hat ihr ungewollt viel Schmerz zugefügt.
Bei Peerybingles rüstet man sich unterdessen zum alljährlichen Picknick im Hause Plummer oder besser gesagt: in deren Hütte. Diesmal sind auch May und ihre nörgelige und hochmütige Mutter mit von der Partie, ebenso gibt sich Mr. Tackleton die Ehre.
John Peerybingle muss die Gesellschaft für ein paar Stunden verlassen, um seiner Arbeit nachzugehen. Bertha segnet May, als künftige Frau Tackletons will sie sie immer ehren, dann bricht sie weinend zusammen und gesteht, ihn auch zu lieben.
Dot tut alles, um die Stimmung heiter zu halten. Als John Peerybingle am Abend wiederkommt, bringt er den alten, tauben Mann mit. Von da an verhält sich Dot sehr seltsam, Tackleton schöpft Verdacht, die Stimmung wird immer angespannter. Tackleton führt Peerybingle in ein Nebengebäude und zeigt ihm von dort aus Dot und den alten Mann, der jetzt aufrecht steht, seine weißhaarige Perücke abgenommen hat und recht vertraut mit Dot zu sein scheint. Für John bricht seine heile Welt mit einem Schlag zusammen.
„Das Heimchen am Herd“ – Drittes Gezirpe
Es ist Nacht, wir sind wieder im Heim der Peerybingles. John sitzt grübelnd am Herd, er möchte am liebsten den Fremden töten und doch auch wieder nicht. Hass, Trauer und Menschlichkeit – all diese Gefühle wechseln sich in ihm ab.
Das Heimchen kommt in Feen-Gestalt zu ihm und zeigt ihm Bilder von Dot, ihrer heiteren, mitfühlenden und mütterlichen Art – kann sie so falsch und ehebrecherisch sein? Am Morgen hat sich John Peerybingle dazu durch gerungen, Dot in Frieden gehen zu lassen, zu ihren Eltern und später dann zu dem jüngeren Mann, dem anscheinend ihr Herz gehört. Er will Dot keinen Stein in den Weg legen, denn er wird sie immer lieben.
Als Tackleton kommt, voll der bösen Hoffnung, Peerybingle habe den Fremden in der Nacht umgebracht, wird er durch John und dessen Großmut enttäuscht. Der Fremde ist zudem spurlos verschwunden.
Das Drama ereilt stattdessen Tackleton: er wurde sitzengelassen. May hat einen anderen geheiratet: den vermeintlich alten Mann, ihre Jugendliebe und zugleich Kaleb Plummers tot geglaubter Sohn aus Südamerika. Dot kann des Ehebruchs frei gesprochen werden, sie hat den beiden Liebenden nur geholfen. Schon am ersten Abend hatte sie Edward erkannt, daher auch ihr großer Schrecken und ihr verändertes Wesen.
Das Ehepaar Peerybingle ist versöhnt und in seiner Liebe gefestigter denn je. Kaleb Plummer ist wieder glücklich und Tackleton scheint aus seiner Niederlage gelernt zu haben. Er wird milder, fröhlicher und sucht tatsächlich den Anschluss an seine Mitmenschen.
Das glückliche Ende wird mit einem großen Fest begangen, alle tanzen ausgelassen und dann – hui, lässt Charles Dickens die ganze Gesellschaft fort wehen. Zurück bleiben der Autor, ein zirpendes Heimchen und ein zerbrochenes Kinderspielzeug…
„Das Heimchen am Herd“ – mein Fazit
Die Szenen mit dem Heimchen als gutem Geist des Hauses, als Feen-Führerin der Menschen und der Tanz am Schluss sind faszinierend bizarr, phantastisch, magisch, ein Genuss. Dickens muss eine ausgeprägte und bunte Vorstellungskraft gehabt haben, die er in ganz feinen Details auch genauso beschreiben und ausdrücken konnte. Das ist nicht vielen Schriftstellern gegeben. Dickens malt mit seinen Worten äußere wie innere Bilder. Lesen, lesen, lesen!
„Das Heimchen am Herd“ – mein Lese-Exemplar
Charles Dickens, „Weihnachtsmärchen“, daraus „Das Heimchen am Herde“, 101 Seiten, bearbeitet, übersetzt und herausgegeben von D. P. Johnson, (überarbeitete Gesamtausgabe unter Verwendung der Übertragungen von Karl Kolb und Julius Seybt), mit Illustrationen der Erstausgabe, Magnus Verlag Essen (kein Erscheinungsdatum).
Da mein Lese-Exemplar vergriffen ist, es gibt „Das Heimchen am Herde“ auch als Taschenbuch vom Severus Verlag, 140 Seiten, erschienen 2015.
Folgt dem Link und lest auf Meine Leselampe über ein weiteres Dickens’sches Weihnachtsmärchen: „Die Glocken“ -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/die-glocken/.