»Im Rausch des Vergnügens« ist eine literarische Zeitreise in das England der Regency-Zeit [1], wie es der Originaltitel weitaus treffender beschreibt: »The Time Traveller’s Guide to Regency Britain«. Der Autor Ian Mortimer, Geschichts- und Literaturwissenschaftler, ist für seine »Zeitreisen«-Bücher nicht nur in seiner Heimat Großbritannien, sondern international bekannt.
Inhalt
»Im Rausch des Vergnügens« – zum Inhalt
Eine beschwingte Zeit – für die Reichen; eine harte Zeit – für alle anderen! Das Regency, das noch in die Ära der Romantik fällt, unterscheidet sich da nicht wesentlich von anderen Epochen.
Es war sicher die Zeit rauschender Bälle, die Zeit der Picknicks und Landpartien sowie die Zeit luxuriöser und zugleich ruinöser Spiel-Clubs.
Wir sehen, wie erhaben der elegante und tonangebende Dandy Beau Brummell [2] sich in der Gesellschaft bewegt und ihren Angehörigen die Mode diktiert. Wir lesen die Werke großartiger Dichter und Schriftsteller – ich nenne hier nur William Wordsworth [3], Lord Byron und die wundervolle Jane Austen [4].
(Bild links: Dorothe/Pixabay)
Das Regency zeichnet sich zugleich aber auch durch eine erhöhte Empfindsamkeit und dramatische Selbstmorde aus, vielleicht war das ja die Kehrseite der Medaille für den »Rausch des Vergnügens«, des Alles-Auslebens-Und-Mitnehmens?
London wuchs unaufhörlich, immer neue Prachtbauten entstanden, doch gleichzeitig dehnten sich die Elendsviertel aus und die Zahl ihrer Bewohner wuchs. Sie galten als schmutzig, die aus der Not geborene mangelnde Hygiene wurde als Ursache für die Verbreitung von Krankheiten gesehen.
»Im Jahr 1830 wird der Ausdruck die Großen Ungewaschenen als Synonym für die Arbeiterschicht verwendet. Wer ihn gebraucht, setzt ganz eindeutig voraus, dass Menschen von hohem Rang im Allgemeinen sauber sind, während es die Armen an Hygiene vermissen lassen.«
Mortimer, Ian, »Im Rausch des Vergnügens«, München 2022, Seite 342.
Sklaverei gab es in England und Schottland gesetzlich seit den 1770er Jahren nicht mehr und so suchten viele ehemalige Sklaven Zuflucht in Großbritannien. Sie konnten frei leben, waren jedoch Beschimpfungen und Angriffen ausgesetzt, der Rassismus ließ sich leider nicht per Gesetz unterbinden.
Männer durften unliebsam gewordene Ehefrauen öffentlich versteigern, denn gesetzliche Möglichkeiten zur Ehescheidung gab es nicht.
Für manche Frauen soll sich die Versteigerung an einen anderen »Besitzer« sogar als Glücksfall erwiesen haben!!! Was keine Entschuldigung für derlei Praktiken sein soll…
(Bild rechts: Susann Mielke/Pixabay)
Opium war im Regency keine Droge, um den »Rausch der Vergnügens« zu steigern, sondern vielmehr das Schmerzmittel überhaupt und wurde dementsprechend bedenkenlos angewendet. Bis man, wie Thomas de Quincey [5], feststellen musste, in welche Hölle man da geraten war.
Apropos Schmerzen, ich denke da immer sofort an den Zahnarzt und es hat mich getröstet, das selbst der große Dichterfürst und Lebemann Lord Byron Angst hatte, wenn er im Stuhl des Dentisten seiner Behandlung harrte. Ian Mortimer schreibt über den Zahnarzt von George IV. (der ehemalige Prinzregent, der dem Regency seinen Namen verliehen hatte), einen gewissen Samuel Cartwright, er habe bis zu fünfzig Patienten pro Tag behandelt und Unmengen verdient. Zahnersatz gab es auch schon, ich nenne noch das Stichwort »Waterloo-Zähne« (mmmh!) und überlasse es nun Euch, das Buch zu lesen.
»Im Rausch des Vergnügens« – mein Fazit
Ian Mortimer hat ein überaus spannendes, faszinierendes, humorvolles und informatives Buch geschrieben, ich habe mich regelrecht festgelesen, ähnlich wie bei »How to Be A Victorian« von Ruth Goodman [6]. Das Regency erscheint mir als eine Art Vorstufe oder Einleitung der viktorianischen Epoche, manches wurde übernommen und weiterentwickelt, manches verworfen. Vieles verbesserte sich, vieles verschlechterte sich nochmals.
Ob es um die Art der Regency-Menschen geht, ihre Sitten, ihre Empfindungen; wie es um Hygiene und Medizin stand; was gegessen und was angezogen wurde; welchen Status Kinder und Frauen hatten oder oder und – Ian Mortimer führt uns auf seiner anschaulichen und überaus lebendigen Zeitreise in und durch die Epoche und lässt sie uns, auch dank der zahlreichen farbigen Abbildungen (36 sind es genau gesagt), hautnah miterleben.
Ein großartiges Lesevergnügen und -erlebnis!!
(Bild links: Dorothe/Pixabay)
»Im Rausch des Vergnügens« – mein Leseexemplar (Werbung)
Mortimer, Ian, »Im Rausch des Vergnügens« – Eine Reise in das England von Jane Austen und Lord Byron, Hardcover, 496 Seiten, aus dem Englischen übersetzt von Karin Schuler, erschienen 2022 im Piper Verlag, München.
»Im Rausch des Vergnügens« – Quellen und Weblinks
[1] Vgl. Wikipedia, Regency, Wikipedia-AutorInnen, 14. April 2023, online: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Regency&oldid=232833210, abgerufen am 17.4.2023
[2] Vgl. Wikipedia, George Bryan Brummell, Wikipedia-AutorInnen, 18. September 2021, online: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=George_Bryan_Brummell&oldid=215706536, abgerufen am 27.4.2023
[3] Über William Wordsworth auf Meine Leselampe -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/william-wordsworth-zum-geburtstag/ und -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/daffodils-william-wordsworth-1770-1850/
[4] Über Jane Austen auf Meine Leselampe -> https://www.meineleselampe.de/felicitas-von-lovenberg-jane-austen/ und https://www.meineleselampe.de/buchtitel/lady-susan/
[5] Über Thomas de Quincey auf Meine Leselampe -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/bekenntnisse-eines-englischen-opiumessers/
[6] Über »How To Be A Victorian« auf Meine Leselampe -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/how-to-be-a-victorian/