„Jane Austen und die Herren der Nacht“ – S. Barron (1998)

von | 11.09.2020 | Buchvorstellung

„Jane Austen und …“ – eine Einleitung

Ich denke (und habe es auch schon mal geschrieben), dass Bücher sich oftmals ihre Leser:innen aussuchen – in Buchläden, in Stadtbibliotheken oder Antiquariaten. Einen Tag, nachdem ich Felicitas von Lovenbergs „Jane Austen“- Porträt auf Meine Leselampe vorgestellt hatte (https://www.meineleselampe.de/felicitas-von-lovenberg-jane-austen/), suchte ein Buch mich aus.

Im Öffentlichen Bücherregal fiel mir ein historischer Kriminalroman der US-Autorin Stephanie Barron auf, Titel „Jane Austen und die Herren der Nacht“.

Felicitas von Lovenbergs These, dass die Jane Austen-Manie der vergangenen Jahre (angeheizt durch romantisch aufgemotzte Buch-Cover und unzählige Verfilmungen mit sexy männlichen Hauptdarstellern) am Wesenskern der Autorin vorbeigeht, war mir noch frisch im Gedächtnis. Daher nahm ich das Buch mit, neugierig, was eine zeitgenössische Schriftstellerin denn so aus und mit Jane Austen „macht“.

„Jane Austen und …“ – viele Fragen

Gleich das Vorwort stimmte mich misstrauisch. Stephanie Barron, bekennende Jane-Austen-Verehrerin, beruft sich darin auf die 1995 vermeintlich wiedergefundenen Tagebücher der Regency-Autorin, die ihrem historischen Kriminalroman zugrunde lägen.

„Es hat ewig gedauert, ehe die gesamte Geschichte von Jane Austens außergewöhnlichen Erlebnissen in Lyme in Form dieses tagebuchartigen Berichts der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden konnte, gehörte er doch zu den lange verloren geglaubten Austen-Tagebüchern, die nun in den Vereinigten Staaten aufbereitet und dort herausgegeben werden.“

(Seite 8, Stephanie Barron, „Jane Austen und die Herren der Nacht“, Historischer Kriminalroman, 382 Seiten, Aufbau Taschenbuch Verlag 1998.)

Der Hinweis auf authentische Tagebücher machte mich skeptisch, bisher habe ich lediglich von Briefen Jane Austens gelesen (die nach ihrem Tod von ihrer Schwester Cassandra zum Teil vernichtet oder „überarbeitet“ wurden). James Edward Austen-Leigh, der (zusammen mit Roman-Fragmenten) 1870 eine Biographie seiner Tante veröffentlichte, stützte sich auf Briefe Austens und Erinnerungen der Familienangehörigen, auch hier ist nie die Rede von Tagebüchern als Quelle.

Und wie kamen die Tagebücher in die USA, hätten die Engländer Dokumente ihrer alten-neuen Kult-Autorin Jane Austen aus der Hand gegeben? Und warum müssen Tagebuchberichte von Jane Austen aus dem Amerikanischen übersetzt werden?

Schon verärgert (o.k., das geht schnell bei mir), fing ich an, „Jane Austen und die Herren der Nacht“ zu lesen und fand über die gesamte Länge des historischen Romans nichts vom feinsinnig-spöttischen Stil Jane Austens.

Dafür tauchen Worte und Formulierungen auf wie „…ich verfluchte meine übertriebene Neugier…“ (S. 225), „…und Eb war kirre gemacht…“ (S. 233), „…im Suff gemachten Vorsatz….“ (S. 246) oder gar „…er schielte lüstern zu mir auf…“ (S. 252). Hätte die gebildete, gut-bürgerliche und prüde Pfarrerstochter Jane Austen solche Ausdrücke verwendet?

Auch bei der Beschreibung der Romanfiguren wird deutlich, dass „Jane Austen und die Herren der Nacht“ nicht aus der Feder Austens stammt, ich möchte zwei Passagen zur Veranschaulichung zitieren.

In „Stolz und Vorurteil“ schildert Jane Austen ihren Mr. Darcy so:

„…. Darcy stand bald im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des ganzen Saales, was nicht nur auf seine schöne, stattliche Gestalt, sein hübsches Gesicht und seine edlen Züge zurückzuführen war, sondern auch auf die Nachricht,…., dass er nämlich ein Einkommen von jährlich zehntausend Pfund habe.“

(Seite 11, Jane Austen, „Stolz und Vorurteil“, Roman, 345 Seiten, übersetzt von Werner Beyer, mit einem Nachwort von Helmut Findeisen, erschienen 1980, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main.)

Stephanie Barron lässt ihre angebliche Tagebuchschreiberin Jane Austen von der männlichen Hauptfigur Geoffrey Sidmouth folgendes Bild zeichnen:

„..; zugegebenermaßen wirkte er mit seinen dunklen, dichten, zusammengezogenen Augenbrauen, mit den leuchtenden, wilden Augen und einer Nase, die wie der Schnabel eines Raubvogels gebogen war, äußerst herrisch. Ein Mann mittleren Alters, vielleicht fünfunddreißig, der Kniebundhosen und ein weißes Hemd trug, das am Hals weit offen war…..“.

(Seite 23, Stephanie Barron, „Jane Austen und die Herren der Nacht“, Historischer Kriminalroman, 382 Seiten, Aufbau Taschenbuch Verlag 1998.)

Klingt mir eher nach Barbara Cartland denn nach Jane Austen…..

Mit „Die Herausgeberin“ unterschrieben, garniert Barron ihren Text mit zahlreichen Fußnoten, in denen wir Leser:innen über Ereignisse, Gebräuche und Gegenstände der Regency-Epoche sowie Biographen und Historiker informiert werden – an sich eine gute Sache, doch hier wird die Fußnote als weiteres Instrument eingesetzt, um die Authentizität der „Quelle“ vorzugaukeln.

Jane Austen und die Herren der Nacht

„The Cobb“, die steinerne Mole in Lyme Regis, an der die echte Jane Austen aber auch die Barron-Austen spazierengingen…

(Bild links: Gerhard G./Pixabay)

„Jane Austen und …“ – überschaubarer Inhalt

Die Handlung von „Jane Austen und die Herren der Nacht“ ist schnell erzählt:

Jane Austen und ihre Familie reisen von Bath in den Küstenort Lyme Regis, um dort Urlaub zu machen. Kurz vor dem Ziel verunglückt ihre Kutsche, Schwester Cassandra wird verletzt und Jane und der Kutsche eilen zum nahe gelegenen Gutshof High Down Grange (natürlich tobt ein Unwetter), um Hilfe zu finden. Der Herr jenes Anwesens, Geoffrey Sidmouth (oben beschrieben) fasziniert und verwirrt Jane Austen gleichermaßen.

Ist er der mysteriöse „Reverend“, der die Schmuggler von Lyme Regis anführt oder ein Ehrenmann? Als Sidmouth unter dem Verdacht festgenommen wird, seinen Widersacher Captain Fielding ermordet zu haben, versucht Jane Austen alles, um die Wahrheit herauszufinden. Ja, und muss über (viel zu) viele Seiten lang schlechte Gesellschaft, gefährliche Situationen und langatmige Dialoge ertragen. Doch zum Schluss gibt es einen Kuss…….(ich weiß, doch in seiner Banalität passt der Reim hervorragend zum Ganzen).

Mehr möchte ich zur Handlung gar nicht schreiben, ich gehe gleich über zum nächsten Punkt.

„Jane Austen und …“ – mein Fazit

Von Stephanie Barron, deren wirklicher Name Frances Mathews lautet, bin ich sehr enttäuscht. Warum erweckt sie den Anschein, geschichtliche Dokumente zu veröffentlichen? Wollte Frau Barron/Mathews vom Jane-Austen-Hype profitieren und die Auflage ihrer „Jane-Austen-Detektiv-Tagebücher“ steigern? Immerhin hat sie dreizehn davon verfasst, wenn mittlerweile nicht noch mehr dazu gekommen sind. Ich lese kein weiteres aus dieser Serie, mir hat schon dieses eine Buch nicht gefallen. Schade…….

„Jane Austen und die Herren der Nacht“ ist mäßig spannend, an manchen Stellen zähflüssig, nicht immer logisch im Aufbau und reicht literarisch nicht an Jane Austen heran. Der historische Kriminalroman Barrons ist vergleichbar mit den seichten Romanen von Barbara Cartland, Georgette Heyer oder Victoria Holt (die ich mit 16 Jahren übrigens verschlungen habe, nö, stimmt nicht ganz, Barbara Cartland habe ich nicht gelesen…).

Ein Pluspunkt an Barrons Werk ist meiner Meinung nach die geschichtliche Information in den Fußnoten.

Mein Fazit: Jane Austens Romane sind eben nicht zu kopieren!!!! Und ich kehre vorerst zu „meinen Viktorianern“ zurück….!!!

„Jane Austen und …“ – mein Lese-Exemplar

Stephanie Barron, „Jane Austen und die Herren der Nacht“, historischer Kriminalroman, 382 Seiten, aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Olivia Klotz, erschienen 1998, Aufbau Taschenbuch Verlag GmbH, Berlin.

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