Lektorat: Ja oder nein? Eine wichtige Frage, die sich jede Autorin und jeder Autor stellen sollte!!! Und ich stelle sie – unter anderen – an »meine« Lektorin Andrea Strobl …
Ich habe auf Meine Leselampe bereits ÜbersetzerInnen und ihre Arbeit vorgestellt -> einmal Dr. Sebastian Vogel: https://www.meineleselampe.de/dr-sebastian-vogel/, später Rebecca Scharpenberg (jetzt Bächli): https://www.meineleselampe.de/evelina-frances-burney-1778/ und mit Thomas Stiegler einen Verleger: https://www.meineleselampe.de/buchtitel/kaffee-35-kulturgeschichten-fuer-geniesser/.
Heute möchte ich die (für Publikationen jeglicher Art unerlässliche!) Arbeit des Lektors und des Korrektors vorstellen. Vergesst das Geldspar-Argument vieler Selfpublisher: »Da gucke ich oder jemand aus dem Bekanntenkreis mal drüber.« Nein, das reicht einfach nicht, selbst wenn man selbst oder der/die »DrüberguckerIn« früher die Note 1 in Deutsch hatte. Die Rechtschreibprogramme helfen ebenfalls nur in einem begrenzten Umfang.
Kurzum: Da wird Geld am falschen Platz gespart, denn nichts ist für uns Leser gruseliger als ein nicht (oder schlecht) lektoriertes und korrigiertes Buch.
Und da bin ich schon bei Andrea Strobl, der Lektorin und Korrektorin, die mich und meine Beiträge für den Leiermann-Verlag nun schon seit ein paar Jahren betreut. Ich stelle sie kurz vor und lasse sie im Anschluss zu Worte kommen …

Andrea Strobl hat in München und Siena Italianistik, Französische Philologie (ja, ihr fliegen die Sprachen nur so zu) und Germanistik studiert. Das alles reichte ihr nicht: Später kam noch ein berufsbegleitendes Studium der Kunstgeschichte hinzu. Einige Jahre arbeitete Andrea als angestellte Reiseredakteurin und Lektorin/Korrektorin.
Die gebürtige Bayerin lebt mittlerweile seit vielen Jahren in ihrer Wahlheimat Athen. Als freiberufliche Lektorin und Korrektorin ist sie unter anderem für die Publikationen des österreichischen Leiermann-Verlages zuständig, betreut das Verlagsprogramm und verfasst selbst kulturgeschichtliche und literarische Beiträge. Ihre Leidenschaft gehört der Literatur, Kunst und – wie schon erwähnt – den Sprachen.
Weitere Informationen findet Ihr auf Andrea Strobls Webseite: https://www.dielektorin.com/.
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Inhalt
Lektorat: Ja oder Nein? Teil 1
CW: Andrea, wie bist Du als Reiseredakteurin auf die Idee gekommen, Lektorin und Korrektorin zu werden? Was reizt Dich an der Arbeit, die Dich an den Schreibtisch bindet?
AS: Ich selbst bin gar nicht auf die Idee gekommen, sondern nach meinem Studium in beide Berufe quasi »reingeschlittert«. Durch mein Philologiestudium und meine Fremdsprachenkenntnisse erschien ich meinem ersten Arbeitgeber wohl als die Geeignetste aller Bewerber – vermute ich zumindest. Jedenfalls war es meine Aufgabe, oft zu reisen, darüber zu schreiben (heute würde man es Contentwriting nennen), kulturhistorisches Begleitmaterial zu recherchieren bzw. zu erstellen und gleichzeitig sämtliche Veröffentlichungen des Unternehmens als Lektorin/Korrektorin zu betreuen. Da der Beruf des Lektors auch heute noch kein Ausbildungsberuf ist, wächst man dann mit den Jahren in diese Aufgabe hinein.
Natürlich ist man als Lektorin an den Schreibtisch »gefesselt«. Aber der Reiz dieses Berufes liegt in der Beschäftigung mit ganz unterschiedlichen Themen, mit Sprache und Sprachsystemen. Dabei wird man aber nicht »weltfremd«, denn das Schöne – neben dem stetigen »Erkenntnisgewinn« – ist vor allem der menschliche Kontakt, der sich oft mit den Autoren ergibt: So manch ganz wunderbare Freundschaft hat sich dabei für mich schon entwickelt!
CW: Was ist der Unterschied zwischen Korrektorat und Lektorat?
AS: Ein Korrektorat begutachtet Orthografie, Grammatik und Interpunktion – aber auch ein wenig das Stilistische. Das Lektorat hingegen hat das Ganze im Blick. Hier geht es um die »Geschichte« insgesamt: Aufbau, Schlüssigkeit, Stil etc. Oft gibt es da aber auch Überschneidungen, weshalb mir die Aufträge, die sowohl Lektorat als auch Korrektorat umfassen, am liebsten sind.
CW: Wie muss ich mir Deine Arbeit vorstellen? Korrigierst Du zuerst die Texte oder lektorierst Du sie vorab?
AS: Ich lese im ersten Durchgang die Texte zunächst einmal und achte auf Aufbau, Logik, Stil etc. (Natürlich korrigiere ich, sofern ein Volllektorat erwünscht ist, bereits in dieser ersten Phase Grammatik, Orthografie etc., wenn mir spontan etwas auffällt.) Im zweiten Durchgang – wenn der Autor eventuelle Verbesserungen angebracht hat – geht es dann eher um das reine Korrektorat. Ein dritter Durchgang ist dann die Schlussredaktion, also die Prüfung des Buchsatzes, sofern ich mit einem Verlag zusammenarbeite, wobei ich persönlich es nicht so genau nehme mit der effektiven Anzahl von Durchgängen – das Endergebnis zählt, und dies soll so gut wie möglich sein.
Gestatten: „Lektoratshelferlein“ Tony…
CW: Bist Du auf bestimmte Texte spezialisiert? Ich denke, es ist ein großer Unterschied, ob ich einen wissenschaftlichen oder einen literarischen Text lektoriere, eine mathematische Bachelor-Arbeit oder einen Regionalkrimi beispielsweise …
AS: Ernsthafte Lektoren werden sich niemals auf »unbekanntes Terrain« begeben! Deshalb lektoriere ich z. B. grundsätzlich nichts aus den Bereichen der Natur- oder Wirtschaftswissenschaften, weil ich mich da schlichtweg nicht auskenne. Mein »Ding« ist eher das sogenannte Schöngeistige, wobei die Form weniger eine Rolle spielt: Das können wissenschaftliche Arbeiten oder Texte z. B. aus dem Bereich der Kunstgeschichte, der Literatur, der Musik oder der Geschichte sein.
Aber auch literarische Genres wie ein Krimi, ein Roman, eine Kurzgeschichte oder ein Essay fallen in mein Gebiet. Grundsätzlich wäge ich bei Anfragen sehr genau ab, ob ich aufgrund meines Allgemeinwissens dem Thema und damit auch dem Autor überhaupt gerecht werden könnte, denn in unserem Beruf geht man ja auch eine Verpflichtung ein.
CW: Wenn Du einen Text lektorierst, der Dir sehr gut gefällt, Dich in seinen Bann zieht – wie stellst Du in einem solchen Fall die notwendige professionelle Distanz her? Und umgekehrt: Wie blendest Du die Lektorin und Korrektorin in Dir aus, wenn Du privat ein Buch liest?
AS: Für mich umso besser, wenn mich ein Text in seinen Bann zieht – das ist sozusagen ein erfreulicher »Nebeneffekt«, der jedoch den notwendigen professionellen Abstand nicht verringert. Wenn ich privat lese, kann ich die berühmte Berufskrankheit nicht immer ausblenden: So fallen mir unwillkürlich manchmal Fehler in Büchern auf – die mich dann aber eher »beruhigen«, denn auch wir Lektoren/Korrektoren sind mitnichten allwissend oder fehlerfrei!
CW: Angenommen, ein Autor schickt Dir einen Text, der in Deinen Augen schlecht geschrieben ist oder Dir tendenziös oder anderweitig negativ erscheint, was machst Du dann? »Augen zu und durch« oder lehnst Du den Auftrag ab?
AS: Lass uns ehrlich bleiben: Natürlich habe ich auch schon solche Aufträge angenommen – aus rein wirtschaftlichen Gründen. Allerdings packt mich dann bei diesen Texten auch eine Art von Lektorenehre: Ich will diese Manuskripte so gut wie möglich bearbeiten, damit sie »lesbar« werden. Das gelingt allerdings nicht immer, und ein paar Mal musste ich nach der gefühlt zehnten Überarbeitung dem Autor dann leider mitteilen, dass aus dem Text einfach nichts mehr wird – jedenfalls nicht in meinen Augen.
Aber ich habe auch schon Manuskripte a priori abgelehnt, wenn ich gleich beim ersten »Drüberlesen« oder beim Probelektorat verstanden habe, dass eine Überarbeitung viel zu aufwändig wäre oder auch der Inhalt beim besten Willen von mir nicht vertretbar wäre.
Lektorat: Ja oder Nein? Teil 2
CW: Was tust Du, Andrea, wenn sich ein Autor in strittigen, aber wichtigen Punkten als »beratungsresistent« und uneinsichtig erweist? In dem geplanten Buch wird schließlich Dein Name als Lektorin/Korrektorin aufgeführt werden.
AS: Das ist immer etwas heikel. Dafür gibt es kein Patentrezept. Wenn ich der Meinung bin, dass der Autor Unrecht hat oder mein Verbesserungsvorschlag dem Text definitiv zugutekäme, versuche ich, ihn mit einschlägigen Argumenten zu überzeugen – was auch nicht immer gelingt. Danach wäge ich ab, ob es einigermaßen »vertretbar« wäre und lasse dem Autor seinen Willen. Jedenfalls bin ich immer bemüht, jeden Text vor allem im Sinne des Autors zu verbessern, ich will ihm nicht meinen Willen aufzwingen.
Es gilt, den Text nicht in MEINE Worte zu fassen, sondern es MUSS immer der Text des Autors bleiben. In solchen – eher seltenen – »Streitfällen« versuche ich abzuwägen, ob nun seine oder meine Version die Gesamtqualität des Textes wirklich grundlegend beeinflussen würde oder eher irrelevant im Gesamtgefüge wäre … Wie gesagt, eine schwierige Entscheidung jedes Mal.
CW: Wie finde ich heraus, ob ein Lektor/Korrektor wirklich qualifiziert ist? Wie finde ich einen passenden Lektor/Korrektor? Worauf sollte ich bei meiner Wahl achten?
AS: Heute kann sich fast jeder als Korrektor oder Lektor »vermarkten«, weil es eben kein Ausbildungsberuf ist. Entsprechend groß ist auch die Konkurrenz mittlerweile. Man braucht auf jeden Fall ein Faible für Sprache und Texte. Grammatik- und Orthografiekenntnisse allein befähigen noch nicht zu diesem Beruf, da sowohl Lektorat als auch Korrektorat ein breites Allgemeinwissen voraussetzen; themenspezifische Studien und auch die Kenntnis mehrerer Fremdsprachen sind dabei durchaus hilfreich. Eine weitere (für mich unabdingbare) Voraussetzung ist, auch privat ein eifriger Leser und Literaturfreund zu sein. Nur so entwickelt man ein Gefühl für Stil und Ausdruck. Man kann ja nur von den Besten lernen!
Wie finden Autoren den passenden Lektor: Die meisten Lektoren haben Webseiten, wo sich Autoren kundig machen können über den jeweiligen Lektor/Korrektor. Vor allem aber bieten ernsthafte Lektoren immer auch ein kostenloses Probelektorat oder -korrektorat an, das schon vorab für beide Seiten sehr aufschlussreich sein kann. Und schließlich spielt auch der ganz persönliche »Draht« eine große Rolle … Es sollte schon irgendwie »zusammenpassen«, auch rein menschlich.
CW: Was hältst Du als Lektorin von KI? Ich persönlich bin da sehr skeptisch, ob ein KI-Lektor auf mich als Menschen eingehen kann, wie Du das mittlerweile – nach mehrjähriger Zusammenarbeit – tust. Und wie gehst Du mit Büchern um, die mittels KI erstellt wurden? Ich als Lektor würde die ja außen vor lassen, denn es ist keine Kunst, geschweige denn eine Eigenleistung, ein Buch mit KI zu schreiben. Wo bleibt da das Herzblut, das Bemühen und Ringen?
AS: Zunächst einmal glaube ich nicht, dass man KI als Lektor einsetzen kann – eher wohl als Korrektor. Aber auch da ist fraglich, inwieweit KI-Dienste oder die gängigen Rechtschreibprogramme in der Lage sind, die wirklichen Feinheiten einer Sprache erfassen zu können. Etwas kann grammatisch richtig sein, aber dennoch nicht exakt den Sinn wiedergeben: Da kann es z. B. ein besseres Wort geben oder an der Stellung eines Wortes im Satz liegen; oder es kann eine originelle »Wortschöpfung« des Autors sein, die vielleicht im Duden nicht zu finden ist und von KI dann als Fehler angestrichen wird, aber als stilistisch-originelle Idee durchaus akzeptabel ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass KI-Dienste niemals mit dem lebenden Organismus »Sprache« werden Schritt halten können.
Das Erstellen von Texten mithilfe von KI ist ein anderes Thema: Kein Autor wird gern zugeben, in welchem Maße er KI eingesetzt hat – nur zur ersten Recherche oder gleich zur fertigen Texterstellung? Da KI-Dienste immer »ausgefuchster« werden, ist es durchaus zu erwarten, als Lektor einen KI-Text nicht als solchen zu erkennen. Wenn ich für einen Verlag arbeite, wird meist ein KI-Scan durchgeführt. Beim Manuskript eines Selbstverlegers bin ich auf die Ehrlichkeit des Autors angewiesen. (Nicht grundlos verlangt Amazon mittlerweile die Angabe, ob ein Buch via KI erstellt wurde.)
Als Lektorin muss ich dennoch wachsam sein: Mit viel Glück, Erinnerungs- und Einfühlungsvermögen erkenne ich VIELLEICHT die Inanspruchnahme von KI – aber dies auch nur, wenn ich bereits öfter mit einem Autor zusammengearbeitet habe und seinen Stil kenne.
Allerdings wurde ich neulich belehrt, dass es mittlerweile schon KI-Dienste gibt, die KI-generierte Texte so verändern können, dass selbst KI-Scans sie nicht mehr als solche erkennen, weil der Stil eines Autors perfekt nachgeahmt werden kann … Ein wirklich gruseliges Thema!
Würde ich ein ganz offen als KI-ausgezeichnetes Manuskript übernehmen? Würde es sich um einen einfachen Sachtext handeln, wäre es der (wirtschaftlichen) Überlegung wert, zumindest einen Korrektoratsauftrag anzunehmen. Wenn es aber um ein »persönlich gefärbtes« Manuskript wie zum Beispiel einen Roman oder einen Krimi ginge, wohl eher nicht – denn wahrscheinlich wäre zu viel stilistische Überarbeitung notwendig, um so einem Text etwas Seele einzuhauchen.
Lektorat: Ja oder Nein? Teil 3
CW: Andrea, übersehen Lektoren/Korrektoren auch schon mal Fehler?
AS: Aber natürlich! Auch wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen oder sind gar unfehlbar. Manchmal lässt auch, wie in jedem Beruf, die Konzentration im Laufe eines langen, »textlastigen« Arbeitstages etwas nach … Ich beantworte Deine Frage wohl am besten mit der unschlagbaren Schlussszene aus Billy Wilders Film Manche mögen es heiß: »Nobody is perfect«!
CW: Da ich Dich als Lektorin, Korrektorin und Mensch sehr schätze, es liebe, mit Dir zusammenzuarbeiten und Dich daher jederzeit empfehlen würde, muss ich fragen: Hast Du überhaupt noch Kapazitäten frei?
AS: Wenn man als freiberuflicher Lektor/Korrektor arbeitet, gibt es natürlich immer »Löcher« im Auftragskalender. Ein Lektoratsbüro ist auch nur ein kleines Unternehmen – und ein Unternehmen lebt von Aufträgen. Oft passiert es, dass Manuskripte zwar für einen bestimmten Termin angekündigt wurden, sich aber dann doch verzögern. Insofern kann man in unserem Beruf schlecht vorausplanen.
Zudem hängt es auch vom Umfang und Anspruch der jeweiligen Aufträge ab: Ein Volllektorat über 500 Seiten benötigt mehr Zeit als zum Beispiel ein Korrektorat für einen kürzeren Text. Unter Umständen ergeben sich auch mehr als die ursprünglich eingeplanten Textdurchgänge, um ein Manuskript guten Gewissens »in die Welt entlassen« zu können. Deshalb laufen manchmal auch mehrere Aufträge gleichzeitig in meinem Büro ab. Insofern gilt für potenzielle Kunden: Nachfragen kostet nichts!
CW: Dann nix wie ran!!!
Hier noch einmal der Link zu Andrea Strobls Webseite, über die Ihr in Kontakt treten könnt, falls Ihr eine sehr gute Lektorin und/oder Korrektorin sucht: https://www.dielektorin.com/.
Andrea, herzlichen Dank, dass Du Dir für Meine Leselampe und die Frage »Lektorat: Ja oder Nein« die Zeit genommen hast! Und danke für die Fotos, die Du zur Verfügung gestellt hast.
Lektorat: Ja oder Nein – mein Fazit
Lektorat: Ja oder nein? – als Autorin kann ich diese Frage nur mit einem entschiedenen JA beantworten und möchte dafür werben! Ihr seht, es gibt so viele Argumente für die Unterstützung durch einen Lektor oder eine Lektorin und das dafür angelegte Geld ist gut angelegtes Geld!