Lloyd’ Coffee House – kurze Einleitung

Vor kurzem habe ich auf Meine Leselampe mit Thomas Stiegler, Buchautor und Gründer des österreichischen Leiermann-Verlages, über Kultur, über Europa und natürlich auch über sein neues Werk »Kaffee – 35 Kulturgeschichten für Genießer« geplaudert -> https://www.meineleselampe.de/kaffee-35-kulturgeschichten-fuer-geniesser/.

Kaffee – 35 Kulturgeschichten für Genießer

(Bild links: vom Leiermann-Verlag)

Heute darf ich einen Auszug aus dem Buch veröffentlichen – mich hat natürlich ein englisches Histörchen interessiert, allein um zu zeigen, welch eine gewichtige Rolle Kaffee in der teetrinkenden britischen Nation spielte und was durch Kaffee alles angestoßen wurde. Viel Spaß mit Thomas Stieglers Kapitel

Lloyd’s Coffee House                                                                                                             

Die ersten Kaffeehäuser, die im England des 17. Jahrhunderts entstanden, glichen am ehesten dem, was wir heute unter einem Club verstehen, denn schon früh zog jedes von ihnen ein bestimmtes Klientel an. So gab es Kaffeehäuser, die nur von Mitgliedern bestimmter politischer Parteien wie den Tories oder Whigs besucht wurden, Kaffeehäuser, die vor allem Kaufleute, Mediziner oder Dichter anzogen, und natürlich auch Kaffeeschenken, die von lichtscheuen Gesellen frequentiert wurden. Unter all diesen Kaffeehäusern war eines der interessantesten sicher das »Lloyd’s Coffee House«, aus dem sich im Laufe der Geschichte unter anderem das Unternehmen »Lloyd’s of London« entwickeln sollte. In diesem Kapitel möchte ich ein wenig über das Kaffeehaus selbst, vor allem aber über seinen Beitrag zu der heute weltbekannten Versicherungsbörse sprechen.

Ende des 17. Jahrhunderts hatte England schon damit begonnen, seine Flügel auszuspannen. Nach der Konsolidierung der Macht des Parlaments durch die »Glorreiche Revolution«[1] kam es zu einer kulturellen, wissenschaftlichen, vor allem aber wirtschaftlichen Blüte. England fing an, seine Handelsnetze weltweit auszubauen, und durch eine Reihe von Gesetzen, zusammenfasst in den »Navigation Acts«, die den Seehandel regulierten, stärkte man die heimische Wirtschaft und wurde zur dominierenden Macht auf See. Parallel dazu kam es auch zu einer unvorstellbaren Expansion des Handels zu Schiff, und in London drängten sich Kaufleute, Handelsherren und Reeder auf engstem Raum, um ihren Geschäften nachzugehen. Jedoch hatten zu dieser Zeit die wenigsten von ihnen eigene Büros, und so wickelten sie den Großteil ihrer Geschäfte im Gebäude der Londoner Börse, der Royal Exchange, ab.[2] Doch um Nachrichten und Informationen zu ihren Geschäften zu erhalten, mussten sie nicht nur ein teures Netz an Informanten unterhalten, sondern sich vor allem mit Gleichgesinnten austauschen können. Welcher Ort aber eignete sich dazu besser als der neue Modetreffpunkt Café? Denn hier konnte man die verschiedensten Menschen treffen, Neuigkeiten austauschen und Geschäftsbeziehungen knüpfen.

Genau das dürfte sich auch der 40-jährige Edward Lloyd gedacht haben, als er 1686 beschloss, ein Café zu gründen. In kürzester Zeit wurde es zu einem beliebten Treffpunkt für Schiffsbesitzer, Kapitäne, Offiziere und Händler – kurz für alle, die sich beruflich mit der Seefahrt beschäftigten. Ein Platz in »Lloyd’s Coffee House« war schließlich so begehrt, dass man schon 1691 in ein größeres Lokal in die Lombard Street umziehen musste. Und das zu Recht, denn mittlerweile hatte man sich als wichtigster Treffpunkt für Schifffahrtsgeschäfte etabliert, und hier konnte wirklich ein jeder in lockerer Runde über Versicherungen, Außenhandel und sichere Reiserouten sprechen und gleichzeitig seine Geschäfte abwickeln.

Das war nicht zuletzt der Verdienst des Besitzers, denn Lloyd hatte sich ein zuverlässiges Netz an Informanten aufgebaut, die ihn immer mit den neuesten Nachrichten versorgten. Schon recht bald begann er auch damit, regelmäßig eine gedruckte Liste mit Informationen zu Schiffen aufzulegen, die für seine Gäste von Interesse waren.[3] 1697 beschloss er dann, diese Aktivitäten auszuweiten, und gründete eine eigene Zeitschrift, die »Lloyd’s News«, die dreimal die Woche Informationen aus der Welt der Schifffahrt und allem, was damit zu tun hatte, veröffentlichte.[4]

All diese Geschäfte sollten Edward Lloyd zu einem wohlhabenden Mann machen, und als er 1713 starb, hinterließ er das Café seiner Frau und seinen Kindern. Eine seine Töchter, Handy Lloyd, sollte den Oberkellner des Cafés heiraten, und gemeinsam leiteten sie das Geschäft noch einige Jahre weiter. Doch als Handy 1720 starb, war innerhalb der Familie scheinbar das Interesse erloschen und eine Reihe von neuen Besitzern folgte. Diese sollten jedoch dem ursprünglichen Gedanken des Kaffeehauses treu bleiben und spezialisierten sich weiterhin darauf, den Gästen und Kunden Informationen über den Handel und den Schiffsversicherungsmarkt zur Verfügung zu stellen.

Im Laufe der Jahre sollte die Bedeutung des Cafés nicht schwinden, sondern es wurde in der Schifffahrtsbranche immer wichtiger als Treffpunkt für Geschäftsleute und Schiffseigner. Denn hier hatte man auch die Möglichkeit, seine Schiffe gegen Unbill versichern zu lassen, und es gab meist mehr als einen Anbieter. Schließlich entschlossen sich die Gäste des Kaffeehauses dazu, ihre Tätigkeiten offiziell festzuschreiben. Sie gründeten 1774 eine Gesellschaft, die sie zu Ehren des ursprünglichen Besitzers »Lloyd’s of London« nannten – heute die größte Versicherungsbörse der Welt!

In meinen Augen eine ziemliche Leistung für ein Kaffeehaus und ein Zeichen dafür, was aus der Idee eines Mannes im Laufe der Zeit Großartiges entstehen kann.

(aus: »Kaffee – 35 Kulturgeschichten für Genießer«)


Lloyd’s Coffee House – einige erklärende Fußnoten

(Bild rechts: Mrtvolka666/Pixabay)

[1] In der »Bill of Rights« wurden 1689 die grundlegenden Rechte des englischen Parlaments gegenüber dem Königtum niedergeschrieben.

[2] Die Börse von London wurde am 23. Januar 1571 von Königin Elisabeth I. eröffnet.

[3] Diese Liste gibt es heute noch; sie ist als »Lloyd’s Register« bekannt, steht aber in keiner Verbindung zum internationalen Versicherungsmarkt »Lloyd’s of London«.

[4] 1734 sollte sich daraus dann die »Lloyd’s List« entwickeln, heute eine der führenden Zeitungen auf diesem Gebiet, die sich mit Schifffahrt, Schiffsversicherungen, Handelsrecht und vielem mehr beschäftigt. 

Lloyd’s Coffee House – Bezugsquellen

Stiegler, Thomas, Kaffee – 35 Kulturgeschichten für Genießer (mit vielen leckeren Kaffee-Rezepten!!), erschienen im Leiermann-Verlag, Grieskirchen, 2024.

Kaffee – 35 Kulturgeschichten für Genießer

Das Buch zum vorgestellten Kapitel (sozusagen) gibt es als Hardcover, als Taschenbuch und als e-book.

Ihr könnt es beim Leiermann-Verlag direkt bestellen: https://www.verlag.der-leiermann.com/kulturgeschichten-des-kaffees/

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Lloyd's Coffee House