Inhalt
„Miss Mackenzies Mut zu lieben“ – Einleitung
Anthony Trollope, neben Charles Dickens einer der meistgelesenen viktorianischen Schriftsteller (aber nur in England!!!), hat mit „Miss Mackenzies Mut zu lieben“ eine gemütliche Geschichte über eine sogenannte „alte Jungfer“ geschrieben. „Miss Mackenzie“ lautet der Originaltitel von 1865.
Anthony Trollope wurde 1815 in London geboren und verstarb 1882 in Sussex. Schon seine Mutter Frances Trollope war Schriftstellerin, es lag ihm vermutlich „im Blut“. Trollope arbeitete als Postbeamter in England und Irland und schrieb nebenher immerhin über 45 Gesellschaftsromane und einige Kurzgeschichten (und verheiratet und Familienvater war er auch – er hatte einen sehr gut getakteten Zeitplan).
Viele seiner Romane beschäftigen sich mit Frauenschicksalen, ein Vertreter der Emanzipation war er trotzdem nicht. Trollopes Biographie findet Ihr auf Meine Leselampe hier -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/anthony-trollope-biographie/
Aber nun geht es los mit „Miss Mackenzies Mut zu lieben“.
„Miss Mackenzies Mut zu lieben“ – zum Inhalt
Miss Margaret Mackenzie ist wahrlich nicht vom Glück verfolgt. Erst pflegt sie ihren kranken Vater geduldig bis zu dessen Tod, dann ihren kränkelnden Bruder Walter, der wie der Vater als Angestellter arbeitet.
Der andere Bruder Thomas, verheiratet und Familienvater, hat mit einem gewissen Mr. Rubb (senior) einen wenig ertragreichen Wachstuchhandel gegründet. Möglich wurde das seinerzeit durch eine Erbschaft, die beide Brüder von der Familie ihrer verstorbenen Mutter bekommen hatten.
(Mutter Mackenzie war eine Schwester des Baronets Sir John Ball – das ist wichtig für später).
Margaret Mackenzies Leben ist, bis wir sie kennenlernen, nicht sehr abwechslungsreich verlaufen, sie hat keine Freunde und an keinerlei gesellschaftlichen oder familiären Vergnügungen teilgenommen. Ihre Schwägerin, die Frau ihres Bruders Tom, kann Margaret nicht leiden, die verarmte Familie Ball ist wegen der Erbschaft vergrätzt. Ein Kollege ihres Bruders macht ihr zwar Avancen, doch darauf kann sie nicht eingehen, denn Bruder Walter, ein schwieriger Charakter, will das nicht.
Als Walter stirbt, erbt Margaret seinen Anteil an der Erbschaft und ist mit einem Mal eine reiche und somit auch unabhängige Frau von Mitte Dreißig.
(Bild links:Dorothe/Pixabay)
Was soll sie nun tun, wie sieht ihr neuer Lebensweg aus, welche Möglichkeiten bieten sich?
Margaret beschließt, eine ihrer Nichten, die 15jährige Susanna, zu sich zu nehmen und für deren Erziehung aufzukommen, um so ihren Bruder Tom finanziell zu entlasten.
Und siehe da, die adeligen Balls melden sich nun bei Margaret und laden sie auf ihr (recht heruntergekommenes) Anwesen „Zedernhaus“ in Twickenham ein.
Der Sohn Sir Johns, ebenfalls ein John, ist Witwer mit vielen Kindern und wenig Geld (ihm war damals die Erbschaft entgangen). Wen wundert es, dass er nun um Margarets Hand anhält?
Miss Mackenzie lehnt, wenn auch wohlwollend und verständnisvoll, ab. Sie hat ihre eigenen Pläne und zieht mit ihrer Nichte nach Littlebath.
Dort gerät sie in den erlauchten Kreis um den evangelikalen und einflussreichen Geistlichen Mr. Stumfold und dessen herrischer Frau. Mit den amüsanteren Teilen der Gesellschaft darf sie nun nicht mehr verkehren, das wäre für eine unverheiratete Frau sowieso nicht angemessen (Karten spielen – geht gar nicht).
Der Hilfsgeistliche Stumfolds, ein Mr. Maguire, wirft ein Auge (auf dem anderen schielt er fürchterlich) auf die wohlhabende Margaret Mackenzie.
Und ein Mr. Rubb junior, Sohn des Partners ihres Bruders Tom, stellt sich in Littlebath ein und schmeichelt Margaret Geld ab für die Rettung des Wachstuchhandels. Er verspricht ihr Sicherheiten, die sie – wie man beim Lesen schon ahnt – nie erhält. Aber der junge Mann ist charmant, wenn auch kein Gentleman und Margaret mag ihn. Als sie merkt, dass ein Teil ihres Geldes verloren ist, verzeiht sie dem reuigen Sünder, der an ihr auch als Ehefrau interessiert ist.
Tja, wo Geld ist, erwachen zwangsläufig die Begehrlichkeiten anderer, das wissen moderne Lottomillionäre, das weiß nun auch Margaret, das wusste ihr Schöpfer Trollope.
Dank missgünstiger Geschlechtsgenossinen gerät Margaret in Littlebath bald zwischen die Fronten der Gesellschaft, sie merkt, dass das Leben als allein stehende und vermögende Frau kein Zuckerschlecken ist.
Dann erkrankt ihr Bruder Tom sehr schwer und sie wird nach London gerufen. Ärgerlich für Mr. Maguire, der just zu dem Zeitpunkt eine Antwort auf seinen Heiratsantrag erwartet. Doch Margaret kennt ihre Pflicht und reist ab. Bruder Tom nötigt ihr vor seinem Tod noch das Versprechen ab, seine Familie zu unterstützen.
Das will Margaret auch gern tun, sie hängt nicht sonderlich an ihrem Reichtum. Lieber teilt sie mit anderen.
(Bild rechts: Dorothe/Pixabay)
Doch bevor Margaret Toms Familie Gutes tun kann, erfährt sie, dass ihr Geld vermutlich weg ist. Bei der Erbschaft ihrer Brüder wurde damals eine Schenkung an John Ball übersehen, dieser Umstand macht die ganze Sache vermutlich ungültig. Bis zur juristischen Klärung dauert es noch einige Monate. Ihr Vetter John Ball macht Margaret noch einmal einen Antrag, den sie diesmal annimmt. Tut er es, weil er sie liebt oder nur aus Fürsorge und Gerechtigkeitssinn?
Doch auch ohne diese Frage findet Margaret keine Ruhe: Mr. Maguire, nach Johns Antrag von ihr eindeutig abgewiesen, lässt nicht locker und auch die künftige Schwiegermutter Lady Ball fängt an, Intrigen zu spinnen und Beschuldigungen zu erheben.
Ihre Gegner treiben es so arg, dass Margaret nicht mehr sicher ist, ob John sie immer noch heiraten will und wird. Trollopes Geschichte um eine viktorianische, sehr sympathische „alte Jungfer“ wird gen Schluss äußerst spannend, ich habe mit oder wie Margaret gezittert (na ja, fast wie)…
„Miss Mackenzies Mut zu lieben“ – mein Fazit
Anthony Trollope erzählt seinen Gesellschaftsroman „Miss Mackenzies Mut zu lieben“ gemütlich, ohne den entlarvenden Zynismus und Spott eines W. M. Thackeray über und ohne die mitfühlende soziale Kritik eines Charles Dickens an den herrschenden Verhältnissen. Er lässt seine Figuren agieren, schildert ihr Vorgehen, erklärt ihre Schwächen, wertet ihren Charakter und ihr Tun aber niemals ab.
Trollope kommt mir vor wie ein gütiger und verständnisvoller Vater, der seine Phantasie-Geschöpfe an die Hand nimmt, sie aber frei gehen und springen lässt.
Titelheldin Margaret Mackenzie ist eine patente und charakterstarke junge Frau, die oberflächlichen Verlockungen nicht unterliegt, sondern abwägt und sich ein Urteil bildet. Heiraten möchte sie schon gern, ihr geistiger Vater ist ein Kind seiner Zeit und hält als Viktorianer die Ehe für die einzig erfüllende Daseinsform der Frau.
Na, wenigstens ist Anthony Trollope der Ansicht, dass das Single-Dasein für Männer weitaus verderblicher ist als für Frauen.
Ein herrlich altmodisches, in Fragen der Geld-Gier auch wieder sehr zeitgemäßes Buch, behaglich und mit einem Schmunzeln zu lesen. Tut es Euch an….
(Dieser Beitrag wurde erstmals am 09. Januar 2020 veröffentlicht, überarbeitet ein zweites Mal am 23. September 2022)
„Miss Mackenzies Mut zu lieben“ – mein Lese-Exemplar
Anthony Trollope, „Miss Mackenzies Mut zu lieben“, Roman, 442 Seiten, übersetzt von Dr. Charlotte Houben, erschienen 2019 (überarbeitete Fassung von 1994) im Rhein-Mosel-Verlag, Zell.