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Oliver Goldsmith Biographie – Einleitung
Wer war Oliver Goldsmith? Ein begnadeter Romancier? Ein scharfzüngiger Essayist? Der Verfasser brillanter Bühnenstücke? Der Dichter der großen Emotionen? Oder einfach ein hack writer, der für seinen Lebensunterhalt schrieb?
(Bild links: by Frédéric – commons, Image:LA2-NSRW-3-0082.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3760070)
Irgendwie war Goldsmith im Ansatz von allem ein bisschen und doch auch wieder nicht. Auf seine Weise hat er die Literatur des 19. Jahrhunderts beeinflusst und aus diesem Grund habe ich auf Meine Leselampe, die sich in erster Linie ja der viktorianischen Literatur widmet, seinen Roman »Der Pfarrer von Wakefield« vorgestellt -> https://www.meineleselampe.de/der-pfarrer-von-wakefield-1766/.
Dieses Werk war Goldsmiths Durchbruch als Autor. Als einen wohlverdienten Erfolg eines lebensnahen Romans bezeichneten es die einen, zu denen der schottische Schriftsteller, Dichter und Literaturkritiker Sir Walter Scott (1771-1832) gehörte -> https://www.meineleselampe.de/und-oliver-goldsmith-leselampe-23-kw-12/.
Andere führten die Beliebtheit des Romans auf den damaligen Mangel an Literatur zurück, wie der grandiose Schriftsteller und Übersetzter Arno Schmidt (1914-1979) im 20. Jahrhundert:
»Aber dieser »Vikar von Wakefield« ist ein so mageres, steifhosiges Produkt, daß seine – doch wohl einst vorhandene – Beliebtheit sich nur aus der relativen Rarität von Neuerscheinungen um 1750 erklären läßt.«
Arno Schmidt: Die Meisterdiebe. In: Arno Schmidt: Bargfelder Ausgabe, Werkgruppe II. Dialoge, Bd. 1. Zürich 1990, S. 333-357, hier S. 351 [1]
An dieser Stelle möchte ich herzlich einem aufmerksamen Leser und (nicht nur) Arno-Schmidt-Kenner danken, der mich auf das wunderbare Arno-Schmidt-Zitat hingewiesen hat und auf eine Abhandlung über »Der Pfarrer von Wakefield« des deutschen Schriftstellers Berthold Auerbach (1812-1882) in »Deutsche Abende«, Stuttgart 1867, die Ihr als E-Book kostenfrei lesen könnt [2].
Auerbach bezeichnet – ähnlich wie Sir Walter Scott – Goldsmiths Dichtung als »lebenskenntlich« und für ihn ist Pfarrer Primrose ein »Typus« und eine »Norm in der Seele des Lesers«. So erklärt Auerbach ein Stück weit den Erfolg eines Werkes, von dem der Autor selbst eingestanden hatte, dass es durchaus Fehler aufweist.
Ihr seht also, Oliver Goldsmith bewegt die literarischen Gemüter durch die Jahrhunderte (und heute sogar in den sozialen Medien!!). Das ist Grund genug, einen Blick auf sein wildbewegtes Leben zu werfen…
Oliver Goldsmith Biographie – Lebenslauf
Geboren wurde Goldsmith entweder 1728 oder 1730 in Irland – ob nun im Hause seines Vaters in der Grafschaft Longford oder bei den Großeltern in der Grafschaft Roscommon, ist wie das exakte Geburtsdatum ungewiss [3]. Vater und Großvater waren Geistliche und Goldsmith selbst blieb stets ein Anhänger der Lehren der anglikanischen Kirche.
Ab 1744 studierte Goldsmith in Dublin Theologie und Rechtswissenschaften, nahm die Sache aber wohl nicht allzu ernst und gehörte nicht zu den besten Studenten – ganz im Gegenteil. Nachdem er 1747 versucht hatte, mit Kommilitonen das Marshalsea-Schuldengefängnis in London zu stürmen (warum, konnte ich nicht herausfinden, ich nehme mal an aus Protest gegen die z.T. unmenschlichen Haftbedingungen), wurde er des Colleges verwiesen [4]. Ohne einen Abschluss in Jura oder Theologie – ihm wurde nur der »Bachelor of Arts« zugestanden – konnte Goldsmith in keinem der beiden Berufe arbeiten.
So führte er ein unstetes Leben. Finanziell unterstützt von seiner Mutter und Verwandten, studierte er ein bisschen Medizin in Edinburgh und später in Leyden, als er Flandern, Frankreich, die Schweiz und Norditalien durchwanderte und sich als flötender Straßenmusikant durchbrachte. 1756 zog es Goldsmith nach London. Er versuchte sich als Gehilfe eines Apothekers, als Hausmeister und als Arzt für die Ärmsten der Armen, bis er auf das »hack writing« [5] verfiel.
Sprich: er schrieb für Buchhändler und Verlage sozusagen auf Zuruf sehr viele Auftragstexte – Artikel, Essays, Rezensionen –, die Qualität fiel dementsprechend aus.
(Bild rechts: Bernd/Pixabay)
Sein ganzes verschwenderisches, extravagantes Leben lang musste Goldsmith derlei Auftragsarbeiten annehmen [6], denn er zechte und speiste zu gern, saß nächtelang am Spieltisch, wobei er sich meist verschuldete. Zugleich war er sehr großzügig und schenkte notfalls sein »letztes Hemd« her, um anderen Bedürftigen zu helfen. Kinder liebte er über alles, sang für sie und spielte ihnen auf der Flöte vor. Vermutlich würden wir ihn heute als sympathischen Chaoten beschreiben.
Aber Goldsmith verlor sich nicht völlig in seinem zügellosen Leben, agierte nicht nur als literarischer Tagelöhner. Er verfasste nebenbei ernsthafte Geschichtswerke wie »Die römische Geschichte« (1769), »Geschichte Englands« (1771) und »Geschichte der Erde« (1771-1774) [7]. In dem Gedicht »Das verlassene Dorf« (1770) klagt Goldsmith direkt über die Landflucht und indirekt über die Einfriedung landwirtschaftlicher Flächen, die Vernichtung oder Verlegung ganzer Dörfer und die daraus resultierende Vertreibung der Landbevölkerung durch den englischen Adel und die Regierung.
Vielleicht war es der Bekanntschaft mit dem Gelehrten, Schriftsteller und Literaturkritiker Samuel »Dr.« Johnson [7] und dessen Protektorat zu verdanken, dass Goldsmith sich ab 1760 auf den literarisch »richtigen Weg« begab und Anerkennung gewann.
Johnson steuerte einige Verse zu Goldsmiths Reimpaardichtung »Der Reisende oder Ein Ausblick auf die Gesellschaft« (1764) bei, förderte die Veröffentlichung des Romans »Der Pfarrer von Wakefield« [9] und half Goldsmith damit aus einer seiner zahlreichen finanziellen Patschen.
Dr. Johnson liest »Der Pfarrer von Wakefield«, im Hintergrund lauern die Vermieterin und der Gerichtsvollzieher…
(Bild links: The Illustrated Magazin of Art Vol. 1, Nr. 1 (ca. 1853) Kopiert aus »Portaits of Humanists«, gefunden auf Wikimedia Commons, gemeinfrei)
Und Johnson nahm seinen Schützling in den »Literary Club« auf, den er 1764 gemeinsam mit dem Maler Joshua Reynolds und dem Politiker Edmund Burke gegründet hatte.
1773 durfte Goldsmith im Covent Garden Theatre die glanzvolle Premiere seines Bühnenstücks »Sie erniedrigt sich, um zu erobern« miterleben, ein erstes Theaterstück aus seiner Feder war gefloppt. Parallel arbeitete er an einer groß angelegten Enzyklopädie, die er »Universial Dictionary of the Arts and Sciences« nennen und mit Artikeln namhafter Kollegen ausstatten wollte. Daraus wurde nichts mehr, denn im April 1774 starb Goldsmith nach kurzer Krankheit. Er wurde in der Temple Church in London beigesetzt.
Oliver Goldsmith Biographie – Quellen und Weblinks
[1] Link zur Bargfelder Ausgabe -> https://t.co/fxPGjKvOfv, abgerufen am 23.3.2023.
[2] Link zur E-Book Ausgabe der Abhandlung von Berthold Auerbach -> https://t.co/kl10vLAHQV, abgerufen am 24.3.2023.
[3] Vgl. Wikipedia, Oliver Goldsmith, Wikipedia-AutorInnen, 4.2.2023, online: https://en.wikipedia.org/wiki/Oliver_Goldsmith, abgerufen am 23.3.2023.
[4] Trotz allem steht am Dubliner Trinity College eine Skulptur des einst so aufrührerischen Studenten, das Foto findet Ihr hier -> flickr.com, Oliver Goldsmith Sculpture, Ron Cogswell, 23.4.2018, online: https://www.flickr.com/photos/22711505@N05/27196435327, abgerufen am 23.3.2023.
[5] Zum Begriff »hack writer» vgl. Definitions Net., What does hack writer mean?, keine Angaben zu Autoren oder zum Datum, online: https://www.definitions.net/definition/hack+writer, abgerufen am 23.3.2023.
[6] Vgl. Goldsmith, Oliver, Der Pfarrer von Wakefield, Dortmund/Gütersloh, 1986, Seite 188, »Daten zu Leben und Werk von Oliver Goldsmith«.
[7] Vgl. Schülerlexikon Lernhelfer, Johnson, Samuel, in Englisch, keine Autorennennung, redaktioneller Stand 2010, online: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/englisch-abitur/artikel/johnson-samuel, abgerufen am 24.3.2023.
[8] Vgl. [6], Seite 189.
[9] Vgl. Goldsmith, Oliver, Der Pfarrer von Wakefield, Dortmund/Gütersloh, 1986, Seite 181, Nachwort.
Oliver Goldsmith Biographie – Lesetipp (Werbung)
Diesmal gibt es nur englischsprachige Lesetipps, leider wurde weder Washington Irvings noch John Forsters Goldsmith-Biographien ins Deutsche übersetzt!! Hier zwei Classic Reprints:
Irving, Washington, »Life Of Oliver Goldsmith«, 264 Seiten, Taschenbuch, Verlag: Forgotten Books, London, erschienen 2013.
oder noch ausführlicher:
Forster, John, »The Life and Adventures of Oliver Goldsmith« (A Biography in Four Books), 728 Seiten, Taschenbuch, herausgegeben von Literary Licensing LLC, USA, 2014.