Viktorianisches Halloween 1

Licht aus, Kerzen an, rein in den Sessel und los geht es!!

Viktorianisches Halloween 1 – Einleitung

Viktorianisches Halloween 1, in diesem Jahr stelle ich drei Erzählungen aus „Das vierte Buch des Horrors“ vor, Untertitel: „Die Geschichte der unheimlichen Literatur in meisterhaften Erzählungen – 1870 bis 1900“, wie bereits versprochen -> https://www.meineleselampe.de/meine-leselampe-kw-42-vorschau/.

Viktorianisches Halloween 1

Herausgeber Joachim Körber stellt in seiner Sammlung die moderneren viktorianischen Geschichten vor, in denen Vampire oder andere Geistererscheinungen kaum noch eine Rolle spielen, dafür die psychologische oder phantastische Komponente des Horrors umso mehr.

Und es sind auch Novellen dabei, in denen sich die LiteratInnen nach jahrzehntelanger „Abstinenz“ wieder auf die alten Volksmythen besinnen und oft mit den moderneren Elementen mischen…

Den Auftakt macht der irische Schriftsteller Bram Stoker (1847-1912) mit „Die Dualisten oder Der Todesfluch der Zwillinge“, OT: „The Dualists; or, The Death Doom of the Double Born“. Die Erzählung erschien Ende November 1886 in der 1887er-Ausgabe eines Theateralmanachs.

Viktorianisches Halloween 1 – zur Erzählung

Das Ehepaar Ephraim und Sophonisba Bubb hat sich so lange vergeblich Nachwuchs gewünscht, dass die Freude unfassbar groß ist, als ihre Bemühungen nach zehn Jahren fruchten und Sophonisba gesunde Zwillinge zur Welt bringt.

Zerubabbel und Zacariah werden die Knaben getauft.

Viktorianisches Halloween 1

Dank der übermäßigen Fürsorge ihrer Eltern und der Kinderschwester überstehen die Zwillinge die unausweichlichen Kinderkrankheiten und können gesund ihren dritten Geburtstag feiern.

(Bild rechts: Prawny/Pixabay)

Verlassen wir die Bubbs in ihrem Glück und schauen über den Gartenzaun zur Nachbarschaft. In den an das Bubb’sche Domizil rechts und links anschließenden Häusern wohnen Harry Merford und Tommy Santon. Die beiden Jungen sind von Kindsbeinen an miteinander befreundet und finden immer einen Weg, sich unbeaufsichtigt zu treffen. Ihr geheimer Unterschlupf ist das Sommerhaus der Bubbs, durch Bäume gut vor Blicken geschützt.

Hier hecken sie ihre Untaten aus, die sich derzeit auf ihre Heimstätten konzentrieren. Mit den neuen Messern, die sie zu Weihnachten bekommen haben, zerlegen, zerschneiden und zersägen Harry und Tommy die Rück- und Unterseiten der elterlichen Möbel, Klaviere und Bilder – bis ihnen der Nachschub an geeigneten Objekten ausgeht.

Was tun angesichts der drohenden Langeweile?

„Es war unbedingt notwendig, den Radius der bisherigen Zerstörungen zu erweitern; und doch konnte dies kaum erfüllt werden, ohne das schreckliche Risiko der Entdeckung einzugehen, da die Grenzen der Sicherheit längst erreicht und überschritten waren.“

Seite 69, aus Bram Stoker: „Die Dualisten oder Der Todesfluch der Zwillinge“, in „Das vierte Buch des Horrors“, UT: „Die Geschichte der unheimlichen Literatur in meisterhaften Erzählungen – 1870 bis 1900“, herausgegeben von Joachim Körber, mit Vorwort, Literaturtipps und Anhang 303 Seiten, erschienen 1993 im Wilhelm Heyne Verlag München.

Zunächst einmal verlegen sich die unseligen Freunde darauf, die Qualität ihrer Messer durch heftiges Aufeinanderschlagen zu prüfen, solange, bis die Klingen endgültig zerstört sind.

Neues muss ersonnen werden – her mit dem Tafelsilber, dem Besteck, dem Porzellan, den Büchern der Eltern, dem Spielzeug der Geschwisterchen, alles wird durch Gegen- und Aufeinanderschlagen zerstört. Einen Großteil der ruinierten Gegenstände lassen Harry und Tommy in der Laube der Bubbs verschwinden.

Verdächtigt wird die Dienerschaft, die Butler beider Häuser landen – dank der Falschaussagen der jugendlichen Missetäter – sogar im Gefängnis. Die bösen Buben können ungestraft in ihrem unheilvollen Tun fortfahren.

Viktorianisches Halloween 1

Wenn die Zerstörungswut kein Ende nimmt…

(Bild links: Syaibatul Hamdi/Pixabay)

Sie steigern die Qualität ihrer Missetaten beständig, bis die unbelebten Dinge vernichtet sind und lebende Geschöpfe herhalten müssen. Nun sind die eigenen und die Haustiere der Nachbarschaft an der Reihe. Harry und Tommy schlagen Kaninchen, Katzen, Hunde stundenlang aufeinander, bis die armen Körper zerfetzt sind.

Doch irgendwann sind auch die bedauernswerten Kreaturen „aufgebraucht“ und neue Betätigungsfelder müssen ersonnen werden.

„…wie Tiger, die einmal Blut geleckt hatten, dürsteten sie nach einem mächtigeren Trank.“

Seite 79, aus Bram Stoker: „Die Dualisten oder Der Todesfluch der Zwillinge“ (22 Seiten, sieben Kapitel!, übersetzt von Ute Thiemann), in „Das vierte Buch des Horrors“, UT: „Die Geschichte der unheimlichen Literatur in meisterhaften Erzählungen – 1870 bis 1900“, herausgegeben von Joachim Körber, mit Vorwort, Literaturtipps und Anhang 303 Seiten, erschienen 1993 im Wilhelm Heyne Verlag München.

Der böse Zufall will es, dass die appetitlich anzusehenden Bubb-Zwillinge händchenhaltend in den Garten traben, just als die Zerstörer in ihrem ungestillten Blutrausch über neue Möglichkeiten des Zerstörens und Mordens grübeln.

Was dann folgt, müsst Ihr selbst lesen… es wird grauenhaft!!

Viktorianisches Halloween 1 – mein Fazit

Leicht und heiter kommt „Die Dualisten oder Der Todesfluch der Zwillinge“ daher, Bram Stoker schildert die schlimmsten und grausamsten Taten so locker, als handele es sich um eine Lausbubengeschichte und gibt (zumindest mir) einige Rätsel auf.

Der erste Teil des Titels mutet fast zynisch an in seiner Sachlichkeit: „Die Dualisten“. Und worin liegt die Dualität der beiden jugendlichen Kriminellen, die Bram Stoker mit dem unzertrennlichen Brüderpaar Castor und Pollux vergleicht (s. Seite 67)?

Viktorianisches Halloween 1

Sie sind doch eins in Fühlen, Denken und Handeln und kein Gegensatz wie Licht und Dunkel oder Liebe und Hass zum Beispiel.

(Bild rechts: John Hain/Pixabay)

Die an sich so modern geschriebene Erzählung ist durchzogen mit biblischen Motiven und antiken Namen (-> siehe Quellen und Weblinks) – warum? Weshalb tragen die Bubbs altmodische Namen, die beiden Missetäter neuzeitlichere?

Geht es Stoker um eine Versinnbildlichung des Bruchs mit althergebrachten Traditionen wie es die literarische Strömung der Moderne von 1880 bis 1920 versuchte?

Ebenfalls bemerkenswert ist, dass der Geschichte jegliche moralische Belehrung fehlt und es keinerlei für uns nachvollziehbare Gerechtigkeit gibt – was hat Stoker damit beabsichtigt? Spiegelt er damit das wahre Leben wider, in dem auch selten das Gute über das Böse triumphiert?

Ist die Struktur der Erzählung an sich vielleicht schon ein Dualismus? Oder die gewagte Kombination von Humor und Gewalttätigkeit? Urteilt selbst! Es lohnt sich sehr, „Die Dualisten oder Der Todesfluch der Zwillinge“ zu lesen und einen ganz neuen Bram Stoker kennenzulernen!!!

Viktorianisches Halloween 1 – mein Lese-Exemplar

Bram Stoker: „Die Dualisten oder Der Todesfluch der Zwillinge“ (22 Seiten, sieben Kapitel!, übersetzt von Ute Thiemann), in „Das vierte Buch des Horrors“, UT: „Die Geschichte der unheimlichen Literatur in meisterhaften Erzählungen – 1870 bis 1900“, herausgegeben von Joachim Körber, mit Vorwort, Literaturtipps und Anhang 303 Seiten, erschienen 1993 im Wilhelm Heyne Verlag München.

Eine englische Ausgabe unter dem Titel „The Dualists“ (26 Seiten) gibt es auch:

Viktorianisches Halloween 1 – Quellen und Weblinks

Zur Herkunft einiger biblischer Namen, die Stoker verwendet:

Was es auf Meine Leselampe bisher von Bram Stoker gibt:

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Vera